Ein Moment fürs Leben. Roman
sich die Stimmung.
Ich spitzte die Ohren wie immer, wenn jemand auf ihn zu sprechen kam, versteckte mich aber sicherheitshalber hinter der Speisekarte, weil ich meinen Reaktionen nicht traute, und tat so, als würde ich sie aufmerksam studieren. Aber ich las nur dreizehn Mal das Gleiche, nämlich:
Tagessuppe.
»Cosmo, kennst du Blake eigentlich?«, fragte Jamie.
»Blake«, wiederholte mein Leben, sah zu mir herüber, und mein Herz klopfte.
»Ja, Blake – der arme unschuldige Mann, den Lucy so gnadenlos abserviert hat, wie es sich für eine Femme fatale gehört«, scherzte Chantelle. »Und wir reiben es ihr auch immer wieder gern unter die Nase.«
Ich zuckte nonchalant mit den Schultern.
»Ehrlich, ich finde, alle Frauen sollten mit einer Trennung so umgehen wie du, Lucy«, sagte Lisa. »Mein Gott, erinnert ihr euch daran, in welchem Zustand ich war?«
Alle stöhnten im Chor und erinnerten sich an das Drama, an Lisas nächtliche Weinkrämpfe am Telefon, an ihre panische Angst vor dem Alleinsein, an unsere endlosen Bemühungen, ihr klarzumachen, dass sie
keine
Herzattacke hatte, sondern dass ihr einfach nur das Herz vor Kummer weh tat. Jamie lächelte zärtlich, vermutlich, weil er an die gemeinsame Zeit mit ihr dachte und nicht an die schmerzliche Trennung, mit der sie zu Ende gegangen war. Er und Lisa warfen sich einen Blick zu, und David rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum.
»Tja, man muss eben immer das Positive sehen, richtig?«, sagte ich und versuchte ein selbstbewusstes Lächeln aufzusetzen, obwohl ich spürte, wie meine Lippen zitterten. »Wenigstens haben wir uns getrennt, bevor der Immobilienmarkt zusammengebrochen ist, und einen guten Gewinn gemacht.« Den ich längst verbraucht hatte. »Jetzt würden wir die Wohnung gar nicht mehr loskriegen.«
Alle schauten mich an.
»Ich fand eure Wohnung toll«, sagte Chantelle traurig.
Ich auch. »Ach, es war immer so heiß da drin«, winkte ich ab. Dann dachte ich daran, wie Blake nackt durch die Zimmer gelaufen war, nachdem ich absichtlich alle Heizungen bis zum Anschlag aufgedreht hatte. Ihm war oft zu warm, und im Bett ersetzte er jede Heizdecke. Ich starrte in die Speisekarte.
Tagessuppe, heiß. Heiß, heiß, heiß.
»Nein, ich habe Blake nie kennengelernt«, beantwortete mein Leben Adams Frage.
»Er ist ein cooler Typ«, sagte Adam.
»Na klar. Du bist ja auch sein bester Freund.«
»Was meinst du denn damit?«
»Darf ich Ihre Bestellung aufnehmen?« Der Kellner war genau im richtigen Moment erschienen. Natürlich klang das »Darf ich« wie »Darfisch«, als hätte seine ganze Kellner-Ausbildung aus einer Folge von »’Allo, ’Allo!« bestanden.
Im Lauf des Essens erfuhr ich eine ganze Menge über Blake, zum Beispiel, dass diese Woche seine letzte Sendung ausgestrahlt wurde, dass er für den Rest des Sommers in Irland sein würde und dass er im County Wexford in einem Ort, der ausgerechnet
Bastards
town hieß, ein Adventure-Center für Outdoorsport aufgemacht hatte – ein Projekt, das wir immer zusammen geplant hatten. Wieder starrte ich in die Speisekarte und blinzelte.
Tagessuppe, Tagessuppe, Tagessuppe.
»Ihr wolltet das ursprünglich zusammen machen, stimmt’s?«, fragte Adam.
»Äh, ja«, antwortete ich blasiert, ohne die Augen von der Speisekarte zu nehmen. »Vielleicht sollte ich ihn wegen Ideenklau anzeigen.« Die anderen lächelten, natürlich außer Adam, und dann begann Lisa in ihrem neuen gebieterischen Ton mit ihrer Bestellung, wobei sie jedes Gericht abgeändert haben wollte, um es ihrem Ernährungsplan anzupassen. Schließlich entschuldigte sich der Kellner etwas nervös und schlug vor, den Koch zu fragen, inwieweit er Lisas Wünsche erfüllen konnte. Kurz darauf erschien der Koch persönlich an unserem Tisch. Er war ein echter Franzose und informierte Lisa sehr höflich, dass er die Ziegenkäsepastete leider nicht ohne Ziegenkäse herstellen konnte, weil dann nur die Pastete übrig blieb und er sie außerdem bereits mit dem Ziegenkäse gefüllt hatte.
»Na gut«, fauchte Lisa und wurde wieder rot im Gesicht. »Dann esse ich eben Brot.« Mit einem Knall klappte sie die Speisekarte zu. »Also bitte nur einen Teller mit Brot, sonst kann ich hier nichts essen, nur dass im Brot leider Nüsse sind, und Nüsse vertrage ich auch nicht.«
»Tut mir leid«, mischte sich David ein, ebenfalls mit hochrotem Gesicht, »sie ist einfach sehr müde.«
»Du brauchst dich überhaupt nicht für mich zu entschuldigen, danke sehr.«
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