Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
wunderbarer Prediger!«, bellte Mr. Walters von seinem Podium. »Ein Mann mit einer seltenen Begabung, der sich ganz in den Dienst einer edlen Sache gestellt hat!«
»In der Tat, ganz genau!«, krähte Mr. Pritchard. »Er kann wunderbar mit Worten umgehen!«
»Er hat seine Gabe missbraucht«, beharrte ich.
»Niemals!«, dröhnte Walters. »Ich bin nicht von seiner Schuld überzeugt, nein, Madam, das bin ich ganz und gar nicht!«
Dies schien die allgemeine Meinung zu sein. Die Menge murmelte und tuschelte untereinander, und ich bemerkte einen Aspekt, der mir überhaupt nicht gefiel. Bilder vom Pariser Mob kamen mir in den Sinn, der sich um die Karren auf dem Weg zur Guillotine versammelte.
»Jedenfalls ist es nicht die Schuld von Mrs. Ross, oder?«, rief Bessie und sprang zu meiner Verteidigung herbei – buchstäblich, denn sie stellte sich zwischen die aufgebrachte Menge und mich.
»Schande über Sie, Madam!«, brüllte Walters, ohne auf Bessie einzugehen. »Schande über Sie dafür, dass Sie heute hergekommen sind! Sind Sie tatsächlich so schamlos, so dreist, trotz allem, was Sie angerichtet haben, Ihr Gesicht zu zeigen?«
»Haben Sie den Verstand verloren?«, rief ich zurück. Ich verlor allmählich die Geduld. »Der elende Halunke Fawcett hat Sie alle belogen und Ihr Vertrauen missbraucht. Er hat Sie um Ihr Geld betrogen und Ihnen alle möglichen Lügen erzählt …«
»Aber nein, das hat er doch gar nicht, Mrs. Ross!«, unterbrach mich Mrs. Gribble, indem sie an meinem Ärmel zupfte. »Es waren keine Lügen. Die Trunksucht ist ein furchtbares Laster. Sie bringt den Ruin über die Menschen. Das ist die Wahrheit!«
»Ja! Ja!«, riefen andere in der Menge zustimmend.
»Wollen Sie das etwa abstreiten?«, rief Walters.
»Nein«, sagte ich. »Selbstverständlich nicht. Doch Fawcett hat das ihm anvertraute Geld nicht so eingesetzt, wie er Sie alle glauben gemacht hat!«
»Trotzdem«, sagte Mrs. Gribble. »Er wollte helfen.« Und mit herzerweichender Aufrichtigkeit fügte sie hinzu: »Außerdem hatte ich so viel Freude dabei, hinterher den Tee zu servieren!«
Ich hatte ihre Illusion zerstört, ihren Glauben, dass sie für etwas Gutes arbeiteten. Fawcett dagegen hatte ihnen ein besseres Gewissen geschenkt und etwas, wofür es sich zu arbeiten lohnte, und jetzt fühlten sie sich verloren und verunsichert.
»Es tut mir sehr leid, dass Sie so denken«, sagte ich. »Ich bin sicher, dass Sie alle irgendwann einsehen werden – nachdem Sie genügend Zeit gehabt haben, um sich von dem Schock zu erholen –, dass jemand Fawcett aufhalten musste. Komm, Bessie, wir gehen.«
Wir zogen uns geordnet zurück, verfolgt von den Blicken der inzwischen größtenteils schweigenden, jedoch weiterhin feindseligen Menge.
»Puh!«, sagte Bessie, als wir die Sicherheit der nächsten Straße erreicht hatten. »Das war knapp. Das möchte ich nicht noch mal durchmachen.«
»Ich kann es ihnen nicht verübeln«, sagte ich. »Mir hätte von Anfang an klar sein müssen, wie sie denken.«
Wir gingen ein Stück weit schweigend nebeneinander her.
»Missus«, begann Bessie schließlich, nachdem sie offenkundig über irgendetwas gebrütet hatte. »Ich weiß, dass Mr. Fawcett kein guter Mensch ist. Ich weiß, dass er den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen hat. Aber das heißt nicht, dass das, was er gesagt hat, nicht die Wahrheit gewesen ist. Es ist, wie die Leute vorhin alle gesagt haben. Er hat sie dazu gebracht, über das Trinken nachzudenken und die furchtbaren Folgen, die Trunksucht für das Leben der Menschen hat. Er mag es nicht aus den richtigen Gründen getan haben, aber es hatte die richtige Wirkung, wenn Sie verstehen, was ich sagen will?«
»Ja, ich denke schon.« Ich suchte nach einer Antwort. »Am Ende wäre trotzdem die Desillusionierung gekommen. Am Traurigsten von allem ist, dass sie sämtliches Interesse verlieren werden, jemals wieder irgendeinem Prediger zuzuhören, ganz gleich ob er gut oder böse ist, sobald sie erst über den Schock und den Ärger hinweg sind. Sie werden keinem Reformierer mehr vertrauen. Diese kleinen Kinder im Chor – sie werden Aufwachsen in dem Gedanken, dass man niemandem vertrauen kann und dass das, was nach außen hin als gute Sache erscheint, in Wirklichkeit nur eine Methode ist, um Geld zu verdienen. Das ist ganz furchtbar, eine schreckliche Verdrehung der Wahrheit. Ich denke, Fawcett ist und bleibt ein sehr, sehr schlechter Mensch. Was er getan hat, wird noch auf Jahre
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