Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
überbringen. Es wäre meine christliche Pflicht.«
»Sie wohnt in Clapham«, erinnerte ich Lizzie.
»Es ist nur ein Katzensprung von hier bis zum Bahnhof, und es gibt viele Zugverbindungen nach Clapham. Es ist keine weite Reise. Ich schätze, sie ist wohlbekannt, und es dürfte nicht schwierig sein, ihr Haus zu finden.«
»Ich habe ihre Adresse«, verriet ich ihr. »Ich habe sie in Angelis’ Auftragsbüchern gefunden.«
»Oh, das ist ja wunderbar!«, sagte meine Ehefrau strahlend, obwohl sie es bereits gewusst hatte. Ich hatte ihr davon erzählt, dass Angelis ein Gemälde in Clapham abgeliefert hatte.
»Ja, nicht wahr?«, erwiderte ich ein klein wenig sarkastisch. »Schön, wenn du unbedingt musst, dann fahr halt hin. Ich weiß, ich kann darauf vertrauen, dass du nichts ausplauderst.«
Meine Worte brachten mir einen missbilligenden Blick ein.
»Das Haus nennt sich Wisteria Lodge«, sagte ich hastig. »Meiner Meinung nach ein ziemlich versponnener Name für das Heim einer so grimmigen Person, wie du sie mir beschrieben hast.«
»Vielleicht sollte ich lieber mit Ihnen kommen, Missus«, meldete sich überraschend Bessie zu Wort. »In der Eisenbahn treibt ein Mörder sein Unwesen. Er könnte in Ihr Abteil springen und Sie erdrosseln! Wenn wir zu zweit sind, wird er sich nicht trauen. Und wenn der Strolch es dennoch versucht, springe ich ihn von hinten an und zerre ihn von Ihnen herunter.«
»Danke sehr, Bessie«, sagte Lizzie. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du mich beschützen willst. Doch ich glaube nicht, dass das notwendig sein wird oder dass ich mit einem Angriff rechnen muss.« Als sie Bessies trauriges Gesicht sah, ließ sie sich jedoch erweichen. »Allerdings darfst du mich gerne begleiten, wenn du unbedingt möchtest.«
Bessie strahlte meine Ehefrau an, bevor sie eilig, in beinahe lustiger gespielter Sorge die Mundwinkel wieder nach unten zog. »Das ist richtig, Missus. Vorsicht ist besser als Nachsicht!«
KAPITEL ELF
Elizabeth Martin Ross
Obwohl ich wusste, dass Mrs. Scott es sowohl als unhöflich wie auch als ignorant betrachten würde, noch vor der Mittagszeit einen Besuch abzustatten, trafen Bessie und ich kurz nach zehn im bleichen Sonnenschein vor den Toren von Wisteria Lodge ein.
Als ich drei Jahre zuvor aus Derbyshire nach London gekommen war, hatte mir meine Tante Parry, deren Gesellschafterin ich wurde, einen Führer ausgehändigt. Sie meinte, sie habe ihn hilfreich gefunden, als sie selbst viele Jahre zuvor aus der Provinz nach London gekommen war.
Der Führer muss schon damals veraltet gewesen sein, denn der Titel des Buches lautete Bebilderter Führer von London 1818 . Ich hatte nichtsdestotrotz in der vorangegangenen Nacht darin gelesen, weil ich überhaupt nichts über Clapham wusste. Ich fand die Ortschaft aufgelistet unter den Sehenswürdigkeiten in der Londoner Umgebung. Clapham, so wusste der Führer zu berichten, war eine kleine Ortschaft in Surrey, dreieinviertel Meilen südlich von London gelegen, die hauptsächlich aus hübschen Häusern bestand. Nun ja. Die Tentakel der Großstadt hatten sich seit der Zeit, als der Führer geschrieben worden war, sehr viel weiter in sämtliche Richtungen ausgebreitet. Das Auftauchen der Eisenbahn hatte Clapham in den Aktionsbereich jener verlegt, deren Geschäft sich im Zentrum Londons befand und die zugleich genügend Geld verdienten, um wegzuziehen aus dem ewigen Qualm, Gestank und Nebel der Stadt und sich in einer angenehmeren, feineren Gegend niederzulassen. Es gab viel mehr Häuser hier als vor fünfzig Jahren, und nahezu alle waren massive bürgerliche Heime. Trotzdem hatte die Gegend viel von ihrer Ländlichkeit bewahrt, und man hatte nicht den Eindruck, in einem Vorort Londons zu sein – was hauptsächlich an der weitläufigen Wald- und Wiesenfläche lag, die allgemein »The Common« genannt wurde und die wir auf dem Weg zum Haus bewundert hatten. Selbst um diese frühe Tageszeit hatte dort reger Betrieb geherrscht; Leute spazierten umher oder ritten auf Pferden, und Kindermädchen hatten ihre jungen Schützlinge hergebracht, damit sie im Freien herumtollen konnten.
»Ist das hübsch hier!«, hatte Bessie staunend ausgerufen, und als wir nun vor dem Heim von Mrs. Scott standen, wiederholte sie ihre Bemerkung.
Wisteria Lodge war eine beeindruckende Backsteinvilla, sicher nicht älter als zwanzig Jahre. Es gab tatsächlich Wisteria-Ranken, die über die Fassade kletterten, auch wenn um diese Jahreszeit nur
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