Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Eisenbahn«, sagte Mrs. Scott schließlich. »Das ist der Grund, warum ich die Kosten für mein eigenes Fuhrwerk aufbringe.« Sie hatte die Unterbrechung genutzt, um sich wieder zu fassen, und ihr Tonfall war forsch. »Ich nehme an, sie wurde ausgeraubt?«
»Nein«, erwiderte ich kopfschüttelnd. »Ihre Handtasche wurde unter dem Sitz gefunden. Es war ein wenig Geld darin, wie mein Mann mir erzählt hat, und sie hatte auch noch ihre goldgeränderte Brille.«
»Nichts, was einen Dieb interessiert hätte«, beobachtete Mrs. Scott. »Aber vermutlich wusste er das nicht, als er mit der Absicht zu stehlen in den Waggon stieg. Er fand es erst heraus, nachdem er sie getötet hatte.«
»Ich bin nicht informiert über das, was die Polizei darüber denkt«, sagte ich entschuldigend. Es entsprach der Wahrheit. Ich wusste nicht mehr als das, was ich ihr bereits erzählt hatte.
Ein Tablett mit Tee traf ein und wurde auf einem kleinen Tisch abgestellt, dessen Oberfläche aus kunstvoll graviertem gehämmertem Messing bestand. Mrs. Scott schenkte eine Tasse voll und reichte sie mir, ironischerweise mit der gleichen Geste wie im Temperenzsaal nach der Versammlung.
»Die Polizei weiß nicht, warum sie nach London wollte«, fuhr ich vorsichtig fort. Ich hatte das Gefühl, mich auf dünnes Eis zu begeben, wie das Sprichwort sagt. »Ich habe allerdings zufällig mit angehört, wie Sie Miss Marchwood zu sich nach Clapham eingeladen haben.«
Mrs. Scott hob fragend die Augenbrauen.
»Nach dem letzten Treffen der Temperenzbewegung im Saal«, erinnerte ich sie. »Ich war draußen auf dem Gehweg. Sie hat durch das Fenster Ihrer Kutsche mit Ihnen gesprochen, und ich habe das Gespräch gehört.«
»Sie haben Ohren wie ein Luchs, Mrs. Ross, und Augen wie ein Adler«, sagte Mrs. Scott kalt. »Ich habe Sie auf dem Gehweg gar nicht gesehen.«
Ich hatte mich, zusammen mit Bessie, unter dem Torbogen versteckt. Ich hatte nicht vor, ihr diese Tatsache auf die Nase zu binden.
»Es wurde bereits dunkel«, sagte ich ausweichend. »Ich frage mich, ob Sie Miss Marchwood vielleicht erwartet haben und sie gestern auf dem Weg zu Ihnen war?«
»Nein, war sie nicht«, erwiderte Mrs. Scott. »Sie wäre nicht hergekommen, ohne mir vorher ihren Besuch zu avisieren.« Bei ihren Worten blickte sie mir sehr direkt in die Augen. Selbst die verachtete Miss Marchwood hatte es nicht gewagt, unangemeldet hereinzuplatzen, wie ich es zu tun die Unverfrorenheit besaß.
»Werden Sie Mr. Fawcett informieren?«, fragte ich sie. »Und ihre anderen Freunde von der Temperenzbewegung?«
Sie rührte in ihrem Tee, ohne dass der Löffel auch nur im Geringsten zitterte. »Ich kann nicht überall herumfahren, um jeden zu informieren. Abgesehen davon – wie Sie selbst gesagt haben, wird es zweifellos in den Zeitungen stehen. Die Öffentlichkeit hegt eine morbide Faszination für derart schäbige Dinge.« Sie legte den Teelöffel beiseite. »Allerdings werde ich Mr. Fawcett sofort eine Note schreiben. Ich werde Harris sagen, dass er eines der Kutschpferde satteln und ihm meinen Brief überbringen soll. Er wird sehr traurig sein. Isabella Marchwood war eine getreue Unterstützerin unserer Sache.«
»Das habe ich gesehen«, erwiderte ich ausdruckslos. »Neben dem regelmäßigen Besuch der Versammlungen – was hat Miss Marchwood sonst noch getan, um zu helfen?«
Ich konnte ihr nichts vormachen und hatte das auch gar nicht erwartet. Sie sah mich mit dem gleichen Gesichtsausdruck an, mit dem sie mich auch schon bei unserer ersten Begegnung bedacht hatte. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass hinter meinem Besuch zu dieser frühen Stunde mehr als reine Höflichkeit steckte.
»Sie brachte regelmäßig Gebäck mit«, sagte sie. »Das war sehr hilfreich.«
»Das glaube ich gern. Mr. Fawcett wird es sicher schwierig finden, mit diesem traurigen Wissen im Hinterkopf die Versammlung am nächsten Sonntag zu leiten.«
»Ganz und gar nicht!«, widersprach sie entschieden. »Seine Arbeit ist viel wichtiger als eine Unannehmlichkeit wie der Verlust von Isabella Marchwood.«
Sie schien mein Erschrecken angesichts ihrer brutalen Offenheit bemerkt zu haben, denn sie fügte hastig hinzu: »Persönlich wird er sicherlich Kummer empfinden, doch Sie werden verstehen, dass seine Arbeit an erster Stelle steht. Sie haben ja keine Vorstellung, Mrs. Ross, wie weit das Laster der Trunksucht unter den Armen und Mittellosen verbreitet ist! Selbst wenn ein Mann nur noch ein paar Pence in
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