Ein Mund voll Glück
Geizkragen!« rief sie entrüstet. »Der hat die Rechnung aber ohne mich gemacht! Nein, so billig wird mich der Schwanenbräu nicht los.«
»Mir ist das alles furchtbar peinlich, Fräulein Danner. Und ich wünschte nichts mehr, als alles ungeschehen machen zu können. Aber damit ist es leider vorbei...«
»Na, na, so schlimm, wie Sie tun, finde ich die Geschichte nun auch wieder nicht«, sagte sie und lächelte ihn an. »Weshalb sollten Sie eigentlich nicht nach Harpfing fahren? Ihr Onkel hat schon recht, ansehen kostet wirklich nichts.«
»Nun ja«, gab er bedrückt zu, »das mag schon stimmen. Und heute abend wäre alles vorbei und vergessen gewesen, wenn...«, er zögerte plötzlich und wand sich neben ihr wie ein ganzer Sack voller Schlangen.
»Nun rücken Sie es schon heraus!«
»... wenn Sie eine Schreckschraube gewesen wären!« sagte er und ließ die Hände auf die Knie fallen.
»Und das bin ich Ihrer Meinung nach nicht?«
»Ach was!« rief er. »Das ist es ja eben! Jetzt werde ich immer an Sie denken müssen und die verpatzte Gelegenheit verfluchen, die Bekanntschaft mit solch einem netten und hübschen Mädl nicht fortsetzen zu dürfen.«
»Was reden Sie da?« fuhr sie ihn an. »Oder sind Sie vielleicht der Meinung, ich wäre besser dran als Sie? Meine Eltern, vor allem die Mutter, haben mich wochenlang beschwatzt, das Spiel mitzumachen. Mit den gleichen Argumenten, die Sie zu hören bekamen. Und schließlich habe auch ich mir gedacht: Laß ihn kommen, ansehen kann man sich den Herrn ja einmal. Und wenn er eine Glatze und O-Beine hat, dann ist der Fall ohnehin ausgestanden. Aber dann kamen Sie...«
Er schluckte schwer und machte ein Gesicht, als traue er seinen Ohren nicht recht.
»... ein Mann, der mir schon gefallen könnte. Und vielleicht werde ich manchmal an Sie zurückdenken, wenn es schiefgeht...«
»Wenn was schiefgeht?« fragte er und griff nach ihrer Hand, die sie ihm überließ.
»Sie wissen natürlich nicht, weshalb ich vor zwei Jahren nach Garmisch geschickt wurde?«
»Ich denke, Sie sollten dort eine Hotelfachschule besuchen. Haben Sie das nicht getan?«
»Ja, schon, aber das war für meine Eltern doch nur ein Vorwand, um mich für eine geraume Zeit in die Wüste abzuschieben.«
»Ich verstehe kein Wort...«
»Deshalb will ich es Ihnen ja erklären, auch wenn es Ihnen nicht angenehm ins Ohr gehen wird. — Nach dem Krieg hat sich in Harpfing ein Sudetendeutscher niedergelassen und eine Strickwaren- und Handschuhfabrik gegründet, ein Unternehmen, das drüben schon seit mehr als hundert Jahren bestand. Der Mann heißt Sichler. Und dieser Andreas Sichler hat einen Sohn, der Manfred heißt. Er ist achtundzwanzig Jahre alt und soll den Betrieb seines Vaters einmal übernehmen. Er ist hier aufgewachsen und spricht — was man von seinem Vater allerdings nicht behaupten kann — unser Bayerisch so gut wie Sie und ich. Und wenn meine Eltern es nach außen hin auch nie zugeben werden, aber für sie sind und bleiben die Sichlers nun einmal Zugereiste...«
»... und solch einen >Zugroasten< heiratet eine Harpfingerin und Schwanenbräutochter dazu nie!« ergänzte Werner Golling streng.
»Genauso ist es! Ich habe mich mit dem Sichler Manfred zwei Jahre lang heimlich getroffen. Aber eines Tages flog alles auf, und daheim gab es einen Riesenstunk. Und überhaupt bist du zum Heiraten viel zu jung! Und wer ist er schon, der junge Sichler? Der Ausfahrer und Polandi von seinem Vater! Und was ist das schon, so eine Handschuhfabrik? Die geht eines Tages pleite und dann? Dann stehst du da! Wirtschaft und Brauerei sind deiner Schwester versprochen. Du bekommst ein anständiges Vermögen mit, aber nicht, um das Geld in eine Pamperlfabrik zu stecken! — Ja, so war es, und so ging es hin und her. Ich wurde Hals über Kopf nach Garmisch in die Hotelfachschule abgeschoben, und damit meinten sie, das Problem aus der Welt geschafft zu haben, haha!«
»Hatten Sie aber nicht, wie?«
»Natürlich nicht! In Garmisch haben wir uns alle vier Wochen mindestens einmal getroffen. Die Sichlers beliefern dort einige Geschäfte mit Strickwaren, Trachtenjankern und ähnlichem Zeug. Aber seit ich hier bin, ist es einfach zum Verzweifeln. Dieses Harpfing! Da haben die Pflastersteine Augen und Ohren!«
»Das tut mir für Sie leid, Fräulein Danner«, sagte er ein wenig abgekühlt, aber sie schien seine kühlere Temperatur nicht zu bemerken.
»Tut es Ihnen wirklich leid«, fragte sie, »oder ist das nur so eine
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