Ein nackter Arsch
Wichtiges sein oder der Störenfried lebensmüde, denn der Kommissar war für seine Morgenmuffeligkeit berühmt.
„Ja, bitte?“, raunzte er in den Hörer, um sogleich auf einen etwas freundlicheren Umgangston umzuschalten, als sich an der anderen Seite der Strippe der Polizeichef meldete.
„Duchene hier.“ Der Polizeichef, er führte den gewichtigen Titel ‚Polizeipräsident‘, stammte von den Hugenotten ab, was er gerne betonte. Außerdem galt er als formalistisch und unterkühlt. Dennoch schätzte Simarek seinen höchsten Vorgesetzten, denn dieser hielt seinen Ermittlern, wo immer es ging, den Rücken frei, verlangte dafür aber auch, bei kritischen Fällen immer auf dem Laufenden gehalten zu werden. Und welcher Fall war nicht kritisch?
„Simarek, ich habe heute Morgen einen Anruf vom Rundfunk erhalten. Und mit Verlaub, ich war wenig erfreut. Warum bin ich nicht informiert über die unbekleidete Leiche an der Saar? Wer ist das? Wen haben Sie vernommen? Was haben Sie herausbekommen? Sie wissen, wie unangenehm es mir ist, wenn die Presse mich auf dem falschen Fuß erwischt.“
„Wir wissen aber beide, dass es viel zu früh ist für genauere Erkenntnisse. Immerhin, die Identität des Toten konnten wir gestern durch einen glücklichen Umstand klären…“
„Was soll das heißen?“
„Na ja, ein zuverlässiger Informant hat uns auf die richtige Spur gesetzt.“
Simarek hütete sich, die näheren Umstände zu erläutern. Sherlock Hassdenteufel blieb sein Geheimnis, und Duchene akzeptierte, dass es im Zuge der Ermittlungen auch Informantenschutz geben musste.
„Alfons Schmidtbauer heißt unsere Leiche. 1940 geboren und lebte früher mal in Saarbrücken.“
„Mittlerweile weiß ich das auch, Simarek. Ich hätte das nur gerne von Ihnen erfahren. Gerade bei einer so wichtigen Persönlichkeit wie Alfons Schmidtbauer von ASP Internationale in Forbach.“
„Bitte was?“
„Alfons Schmidtbauer, das ist der mit dem schnellen und preiswerten Druckverfahren. Deswegen streikt die Belegschaft beim Saarbrücker Morgen doch im Augenblick. Hören Sie denn keine Nachrichten? Der Zeitungsverlag will jetzt auch in Forbach drucken und die eigenen Maschinen einmotten. Und das bringt natürlich die Belegschaft auf den Plan. Denn die fürchtet um ihre Arbeitsplätze.“
„Aha.“ Dem Kommissar war der Informationsvorsprung des Polizeichefs unangenehm.
„Ja, während Sie sich den Schlaf des Gerechten gegönnt haben, hat Ihr Kollege Trulli recherchiert. Mit dem habe ich vorhin schon gesprochen, leider erst, nachdem mich der Rundfunk aus dem Bett geklingelt hatte. Ach ja, und morgen um zehn zur Pressekonferenz haben Sie natürlich noch ein paar weitere Informationen, damit es nicht so aussieht, als träten wir auf der Stelle. Natürlich geben wir nichts preis, was die Ermittlungen behindern würde. Wir sehen uns dann morgen eine halbe Stunde vorher zur Lagebesprechung.“
„Gut…“, mehr konnte Simarek nicht sagen, das Gespräch war beendet. Offenbar hatte Fabio Trulli über Nacht ganze Arbeit geleistet und der Polizeichef war ihm, dem ermittelnden Kommissar, einfach zuvorgekommen mit der Informationsabfrage. Obwohl Simarek wusste, dass sich sein Assistent vermutlich vollkommen korrekt verhalten hatte, war er angefressen. Er mochte es einfach nicht, wenn er nicht im Besitz aller Informationen und damit nicht Herr des Verfahrens war. Trullis Dienst endete um neun, noch genug Zeit also, dem Polizeiobermeister seinen gerechten Anteil an Simareks eigener schlechter Laune zukommen zu lassen.
„Commissario?“
Simarek war einen kurzen Augenblick lang verwirrt. Woher wusste Trulli, dass er am Telefon war? Doch dann verstand er. Sie hatten jetzt im Kommissariat diese modernen Apparate mit Display, das meistens die Nummer des Anrufers signalisierte. Nur wenn der Anrufer seine Nummer unterdrückte, blieb das Display leer. Seit der gläserne Anrufer technisch möglich war, ging der Kommissar nur ungern an das Telefon, wenn keine Nummer im Display erschien, die Gegenstelle also inkognito blieb. Denn Simarek wusste, dass sowohl Rundfunk als auch Zeitung ihre Nummernübermittlung unterdrückten. Aus gutem Grunde! Er jedenfalls würde nie ans Telefon gehen, wüsste er schon im Voraus, dass ein Journalist am anderen Ende wartete. Vielleicht sollte auch er die Telefongesellschaft beauftragen, seine Rufnummer nicht anzeigen zu lassen. Das Überraschungsmoment wäre dann auf seiner Seite.
„Fabio, wie kommst du dazu, Duchene
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