Ein nackter Arsch
ihm auch Evi immer wieder sagte. Sie hatte ihm empfohlen, eine sprechende Waage anzuschaffen. Damit er nicht immer so angestrengt über seinen Bauch hinweg auf das Display schauen musste. Aber sein Gewicht jeden Morgen auch noch in Kilos und Gramm hören zu müssen, wollte Simarek sich nun doch nicht zumuten. Und was wäre, wenn die Waage eines Tages ertönen würde: „Immer nur eine Person, bitte!“?
Frisch rasiert verließ der Kommissar seine Wohnung, nahm unterwegs noch Kaffee und Croissant in Pits Petit Bistro zu sich und begrüßte, als er um Punkt acht Uhr das Büro betrat, relativ gut gelaunt seinen Assistenten Fabio.
„Moin Cheffe – alles roger in Kambodscha?“, antwortete Fabio und Simarek verdrehte die Augen. Eine solche Begrüßung ließ für den Tag auf viel Gereimtes schließen. Um nicht gleich eine weitere Vorlage zu geben, verkniff sich der Kommissar ein „Alles in Butter in Kalkutta“. Altpeter hatte einmal so geantwortet und Fabio dieses zum Anlass genommen, gleich eine weitere Kanonade ähnlich schlauer Sprüche abzufeuern. Das galt es so früh am Morgen unbedingt zu verhindern. Simarek wechselte ins Dienstliche.
„Gibt’s was Neues?“
„Nö, nur die PK um zehn – da müssen wir hingehn!“
„Fabio“, knurrte der Kommissar, „es ist früh am Morgen. Wir haben viel Arbeit, also quäl mich nicht. Wo ist eigentlich Irene?“ Irene Schneider war die Sekretärin der Abteilung, eine Tochter russlanddeutscher Einwanderer mit einem Freund im Innenministerium. Das war zuweilen sehr praktisch, denn Irene nutzte diesen Kontakt ab und an, um ihrem Chef Informationen zu besorgen, an die er sonst nicht so einfach gelangen würde.
„Mensch, Comissario, du hast ein Gedächtnis wie ein Sieb. Irene ist auf Fortbildung. Recherchieren im Internet, um uns effektiver unterstützen zu können.“
„Na prima“, dachte Simarek, „Irene zur Fortbildung und Altpeter krank.“ Die Woche versprach heiter zu werden. Immerhin sollte ja der neue Kollege im Laufe des Vormittags zur Abteilung hinzustoßen. Vielleicht konnte man den ja mit ein paar leichten Rechercheaufgaben betrauen.
„Michelle Huppert.“
„Hier ist Robert.“
„Aaah, der Herr Kommissar aus Sarrebruck.“
Michelle Huppert war Kommissarin in Forbach. Simarek kannte sie nur flüchtig. Erst zweimal hatte es Simarek mit grenzüberschreitenden Fällen zu tun gehabt. Und Michelle hatte sich dabei als gute und kooperationsbereite Kollegin gezeigt. Sie schien eine unkomplizierte Frau zu sein. Und sie sprach hervorragendes Deutsch. Simareks Französisch hingegen war eine Katastrophe. Damit stand er unter seinen Kollegen aber nicht allein da. Denn die meisten grenznahen Lothringer sprachen sehr gut Deutsch und hielten die Sprache unter sich lebendig. Aber umgekehrt taten sich viele aus Simareks Kommissariat mit dem Französischen schwer. Der Kommissar schmunzelte manchmal darüber, dass man im Rest der Republik offenbar davon ausging, dass es im Saarland eine besondere Sprachkompetenz für das Französische gibt. Nach seinen Erfahrungen war das ein Mythos. Jedenfalls was den Alltag betraf. Und die Lothringer wussten ihr Mehr an Sprachkompetenz auch auszunutzen. Simarek hatte einmal gehört, wie sich die Reinigungskräfte des Kommissariats, alles Frauen einer lothringischen Firma, während der Arbeit auf Deutsch unterhalten hatten. Sobald er das Büro betrat, wechselten sie nahtlos ins Französische. „Sprache ist Macht“, hatte Simarek damals gedacht und beschlossen, sein Französisch aufzubessern. Wie so oft war es beim Vorsatz geblieben. Zum Bestellen von vier Bier, zwei Croissants und drei Baguettes reichte es immerhin.
Simarek hatte Michelle Huppert schnell über die vorliegende Sachlage in Kenntnis gesetzt und ihr die wesentlichen Ergebnisse seiner sonntäglichen Recherchen mitgeteilt.
„Okay, Robert. Ich erwarte dich dann gegen elf bei uns. Wir fahren dann zusammen zu ASP . Schön, dich mal wieder zu sehen. Ich freu mich!“ Das „ich“ hatte bei Michelle dabei einen leichten Klang zum „sch“ hin.
Charmant, dachte Simarek und legte auf. Die notwendige Kooperation mit der französischen Seite würde funktionieren. Er hatte es nicht anders erwartet.
Die Pressekonferenz war schnell vorüber. Es gab nichts zu berichten, und von der schreibenden Zunft war sogar nur ein Journalist gekommen, der eine Notiz für ein paar Blätter in Rheinland-Pfalz schreiben wollte. Der Saarbrücker Morgen erschien ja zurzeit nicht. Aber auch die
Weitere Kostenlose Bücher