Ein nackter Arsch
an, und der Polizeipräsident würde nicht sehr erfreut sein, sollte der Kommissar nicht alle seine Sinne beisammenhaben.
„Cantina del Mandrolisai. Ein einfacher Vino da tavola.“
Simarek wusste, dass Hassdenteufel ein Weinexperte war. Und wenn er von einem einfachen Vino da tavola sprach, so mochte der Wein zwar ausgesprochen preiswert und besonders alltagstauglich sein, er war aber mit Sicherheit ebenso ausgezeichnet. Gerd Hassdenteufel hatte ein unglaubliches Talent, Spreu von Weizen zu trennen, und das galt nicht nur für Wein.
„Okay, einen“, sagte der Kommissar und fasste den festen Vorsatz, sich tatsächlich auf ein Glas zu beschränken.
„Ich muss dich noch was fragen. Als du mir gestern sagtest, dass Lisette Schmidtbauer seit fünf Jahren tot ist, da hast du so ’ne seltsame Bemerkung gemacht. Du hast gesagt, da könne keiner mehr ans Telefon gehen…“
„…höchstens der Hund“, vervollständigte der Pastor den Satz. „Das ist mir hinterher auch aufgefallen! Und ich habe mich natürlich sofort gefragt, wie ich auf den Hund gekommen bin.“ Hassdenteufel lächelte.
„Und dann ist es mir eingefallen. Ich habe Schmidtbauer schon mal gesehen. Im Saarbrücker Morgen . Und zwar mit Hund. Wenn ich mich richtig erinnere, dann betreibt er eine Hundezucht im Bliesgau. Oder jetzt wohl besser: Dort hat er eine Hundezucht betrieben.“
Simarek war einmal mehr verblüfft. Er bewunderte das Gedächtnis seines Freundes, der daraus manchmal Dinge zum Vorschein brachte, die ihn dann selbst überraschten.
„Du weißt nicht zufällig, was für Hunde?“
„Nicht genau, aber auf dem Foto damals war neben ihm ein Berner Sennenhund abgebildet. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil ich selbst schon mit dem Gedanken gespielt habe, mir einen Sennenhund zuzulegen.“
„Bist du so einsam?“ Obwohl als Witz gemeint, war dem Kommissar schon, indem er es aussprach, klar, dass Hassdenteufel tatsächlich manchmal einsam sein musste. Oder wenigstens vermutete Simarek das, da seinem Freund Familienfreuden per amtskirchlichem Gebot versagt waren. Andererseits, wusste er wirklich, ob Hassdenteufel nicht außerhalb der Gemeinde ein fröhliches Verhältnis pflegte? Er hatte ihn nie danach gefragt und ahnte, dass er diese Grenze wohl auch besser nicht verletzten sollte.
„Einsamkeit ist nicht mein Problem“, antwortete Hassdenteufel und grinste. „Aber so ein Hund will sich bewegen. Ich dagegen bin faul, sollte mich aber auch bewegen, sagt jedenfalls mein Arzt. Mein Blutdruck ist zu hoch. Und wenn ich so einen Hund hätte, müsste ich täglich dreimal raus.“
„Aha, und…“
„Berner Sennenhunde sind freundliche, zuverlässige Zeitgenossen. Aber wie du siehst, habe ich das dann doch sein lassen. Ich habe die Freiheit, ohne Familie zu sein. Warum soll ich mir dann einen Hund ans Bein binden? Vielleicht schickt mich Mutter Kirche ja noch mal nach Südamerika.“
Simarek und Hassdenteufel hatten schon oft darüber nachgedacht, ob und wie sich ihr jeweiliges Leben verändern könnte. Doch beiden war am Ende ihrer Gespräche immer wieder klar geworden, dass sie es am liebsten so hatten, wie es war. Manche Träume waren dazu da, nie in Erfüllung zu gehen.
„Vielleicht schicken sie dich auch in die Eifel“, sagte Simarek, wohl wissend, dass dies für seinen Freund in die Kategorie Albträume gehörte.
Eine Hundezucht hatte Schmidtbauer also auch betrieben. Der Kommissar konnte sich nun auch den Hund in seinem Traum erklären. Vermutlich hatte auch er damals das Bild in der Zeitung gesehen und unterbewusst gespeichert. Er war sich allerdings sicher, selbst nie mit dem Gedanken gespielt zu haben, einen Berner Sennenhund anzuschaffen.
Als Simarek nach zwei Gläsern Rotem – der Vorsatz hatte nicht ganz gehalten – die Wohnung des Pastors verließ, hatte er einen weiteren Anhaltspunkt für die Arbeit des nächsten Tages. Er würde früh aufstehen müssen, um vor der Pressekonferenz noch ein paar Recherchen anzustellen. Die Idee einer Pressekonferenz am Montagmorgen war ohnehin keine gute. Aber das wussten sowohl er als auch der Polizeipräsident, der diese anberaumt hatte. Es gab zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen noch nichts mitzuteilen. Das wussten auch die Journalisten. Dennoch war das rituelle Frage- und Antwortspiel ein unvermeidbarer Teil der Arbeit für beide Seiten.
„Na Süßer, hast du noch was vor?“
Simarek war gerade auf Höhe des Kirchturms angelangt, als eine Frauenstimme ihn von hinten
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