Ein nackter Arsch
erwarteten Besuch der Polizei einzustellen. Da mit Simarek die deutsche Polizei anwesend war, sprach man aufgrund einer unausgesprochenen Vereinbarung gleich zu Beginn deutsch, auch wenn wohl jeder im Raum, außer Simarek natürlich, ins fließende Französisch hätte wechseln können.
Simarek fragte: „Ist Ihnen an Alfons Schmidtbauer in letzter Zeit etwas aufgefallen? War er verändert?“
Eine Frage, die zur Routine gehörte und die in der Regel nichts einbrachte. Das wusste der Kommissar. Selten kündigten sich Gewaltverbrechen durch äußerlich sichtbare Zeichen an, und meistens waren die Menschen im Umfeld des Ermordeten im Nachhinein sehr überrascht. Die Runde blickte sich an und Emilie Schrader antwortete zuerst.
„Herr Schmidtbauer war wie immer. Als er am Freitag ging, sagte er: ‚Ein schönes Wochenende, Frau Schrader, und treiben Sie es nicht zu dolle‘. Und dann war er – wie immer – um kurz nach vier aus dem Haus.“ Emilie Schrader sah eigentlich nicht so aus, als würde sie irgendetwas in ihrem Leben besonders „dolle“ treiben. Sie hatte in der Firma bestimmt das Image einer grauen Maus. Dabei wirkte sie aber sehr korrekt mit ihrer hochgeschlossenen weißen Bluse. Zusammenfassend stellte sie fest: „Da war nichts Ungewöhnliches dabei. Selbst den Spruch brachte er an jedem Freitag. Und jetzt ist er tot, kaum zu fassen.“ Eine Floskel, Simarek hörte das sofort.
„Wie war er denn so, der Herr Schmidtbauer? Ich meine, was für ein Mensch war er?“
„Korrekt, überaus korrekt.“ Die Antwort von Wolfgang Bergmann kam schnell, etwas zu schnell für Simareks Geschmack, so als sei auch diese Frage erwartet und die Antwort bereits im Kreise der erweiterten Geschäftsleitung beschlossen worden.
„Was meinen Sie mit überaus korrekt?“, hakte Simarek nach, wobei er das „überaus“ überaus betonte.
„Nun“, antwortete Jacques Pirrot, anscheinend war auch die Verteilung der Wortbeiträge abgesprochen worden und jeder sollte mal. „Nun, in geschäftlichen Dingen war Herr Schmidtbauer ganz klar der Chef. Sowohl bei wirtschaftlichen als auch bei Personalentscheidungen. Herr Schmidtbauer behielt sich immer das letzte Wort vor. Bei einem Betrieb unserer Größe ist das durchaus noch möglich, und Herr Schmidtbauer war ein Chef alten Stils.“
„Aber immer überaus korrekt – auch zu uns Mitarbeitern“, ergänzte jetzt Bergmann. „Ich meine, er war nicht besonders umgänglich, und ein persönliches Wort habe ich nie mit ihm gesprochen. Aber was die Führung des Betriebs angeht, da wussten wir, was wir an ihm haben.“
„Also hier im Betrieb gibt es niemanden, der etwas gegen Schmidtbauer hatte?“, hakte Simarek nach – Michelle Huppert hatte beschlossen, sich im Hintergrund zu halten. Bisher sah es nicht so aus, als würde der Fall Schmidtbauer ihrer werden.
„Nicht, dass wir wüssten.“ Pierre Duvall hatte wohl entschieden, er könne hier eine kollektive Antwort wagen, vermutlich um das Gespräch abzukürzen.
„Wenn Sie nach Feinden von Herrn Schmidtbauer suchen, dann wohl eher außerhalb von ASP Internationale . Konkurrenz gibt es ja bekanntlich genug, und in Saarbrücken sind einige ganz und gar nicht glücklich darüber, dass der Saarbrücker Morgen jetzt in Forbach gedruckt wird, auch wenn wir einen Großteil der Belegschaft aus der Saarbrücker Druckerei übernommen haben.“
Simarek war es eigentlich egal, wo die Tageszeitung gedruckt wurde. Dennoch konnte er den Gedankengang Duvalls nachvollziehen. Irgendjemand, der Job oder gar Existenz verloren hatte, kam als Mörder von Schmidtbauer durchaus in Frage. Dagegen sprach natürlich eindeutig, dass die Leiche des Unternehmers so auffällig drapiert worden war. Das sah für Simarek nach einer klaren Botschaft aus. Dieser zu folgen, erschien ihm vielversprechender als die Suche nach Feinden im Umfeld von ASP Internationale . Aber das behielt der Kommissar für sich. Stattdessen wechselte er unvermittelt das Thema. „Sagen Sie, warum hat Gesine Mollet bei ASP eigentlich damals gekündigt?“
Simarek spürte die Verunsicherung im Raum sofort. Offenbar hatte seine Frage ins Schwarze getroffen, ohne dass er wusste, warum. Besonders die ohnehin bleiche Emilie Schrader war noch ein bisschen bleicher geworden.
„Wie kommen Sie jetzt auf Frau Mollet?“, bemühte sich Duvall um Fassung.
„Ich folge einem Hinweis“, bemerkte Simarek kurz, weil er sich noch nicht in die Karten schauen lassen wollte. „Also, warum hat
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