Ein nackter Arsch
Kollegen von Hörfunk und Fernsehen sahen schnell ein, dass heute bei Simarek und seinen Kollegen nichts zu holen war. Der Name des Toten wurde bestätigt, und nein, derzeit wisse man noch nichts über die Zusammenhänge und mögliche Motive. Eine heiße Spur fehle noch, man stehe ja erst am Anfang der Ermittlungen. Das Übliche. Dass es hier eine Spur nach Köln gab mit einer weiteren Toten, verschwieg Simarek. Dem Polizeipräsidenten hatte er dies natürlich zuvor bei der Lagebesprechung mit dem Team gesagt. Und er war froh gewesen, als dieser entschied, der Presse gegenüber nichts zu erwähnen. Das war gut für die Ermittlungen und es war gut, dass es die Idee des Polizeipräsidenten gewesen war. Denn das garantierte, dass sich für eine gewisse Zeit alle in der Dienststelle daran hielten, einschließlich Duchene. Und so wurde fürs Erste auch ausgeschlossen, dass die Mollets in Saarlouis unliebsamen Besuch von der Boulevardpresse erhielten. Simarek hoffte insgeheim, dies bliebe Gesines Eltern auch in Zukunft erspart.
Simarek steuerte seinen Peugeot auf der alten Landstraße über den Spicherer Berg nach Frankreich. Das war zwar nicht der schnellste Weg zu seiner Kollegin Michelle, aber der Kommissar mochte die Strecke, besonders jetzt, da sich die Bäume schon in herbstlichen Farben präsentierten. Außerdem saß Simarek gerne auf der Terrasse des Gasthauses auf den Spicherer Höhen, die für Deutsche und Franzosen ein gleichermaßen beliebtes Ausflugsziel war. Hier trank er einen schnellen Espresso und rauchte einen Zigarillo; er würde deshalb ein paar Minuten später in Forbach ankommen.
Simarek genoss den Augenblick an diesem idyllischen Ort, doch wer genau hinsah, bemerkte, dass die Spicherer Höhen nicht immer so friedlich gewesen waren. Hier hatten die beiden Grenznachbarn lange Zeit erbittert ihre Feindschaft ausgetragen. Auch der Krieg von 1870 hatte hier begonnen. Im weiten Umkreis fanden sich zahlreiche Denkmäler und Gräber für gefallene Soldaten beider Seiten. Auch im beginnenden 21. Jahrhundert waren noch nicht alle Ressentiments zwischen Deutschen und Franzosen diesseits und jenseits der Grenze überwunden, aber Simarek fand doch, dass es Fortschritte gab, eine Erkenntnis, die ihn hoffnungsfroh stimmte, sobald er die Grenze überquerte.
Fabio war in Saarbrücken geblieben, denn statt des versprochenen neuen Kollegen war am Morgen nur ein Fax eingegangen mit der lapidaren Mitteilung, dass dieser noch für mindestens eine Woche in einer anderen Dienststelle gebraucht werde. Deshalb musste Trulli Innendienst schieben und unter anderem für Simarek einen Termin mit Gesines Psychologin für den Nachmittag vereinbaren und die Hundezucht von Schmidtbauer ausfindig machen. Außerdem sollte Fabio in alten Artikeln des Saarbrücker Morgen recherchieren, ob sie Hinweise auf mögliche Feinde Schmidtbauers enthielten.
Die Uhr des Peugeot zeigte 11:45, als Simarek zusammen mit Michelle Huppert bei ASP Internationale vorfuhr. Gemeinsam schritten sie nun die Stufen zu dem großen Gebäudekomplex hinauf, der am Stadtrand auf einer leichten Anhöhe lag. Bei ASP hatte sich die Nachricht vom Tod des Besitzers offenbar schon verbreitet, denn am Empfang zeigte sich der Pförtner nicht verwundert, als sich Simarek und Huppert als Polizisten auswiesen. Der Pförtner wählte eine Nummer und nach ein paar Minuten erschien eine gestylte blonde Sekretärin, die die beiden Ermittler in einen Konferenzraum führte, in dem die führenden Köpfe von ASP sie bereits erwarteten.
„Ich bin Pierre Duvall, Bilanzbuchhalter und Prokurist der ASP “, stellte sich ein hagerer Mann mit spitzer Nase und schlohweißem Haar vor, der Ende fünfzig sein mochte. „Neben mir, das sind Emilie Schrader, die Chefsekretärin von Herrn Schmidtbauer, Wolfgang Bergmann, unser Fertigungsleiter, und Jacques Pirrot, der Personalchef. Sie hören bereits an unseren Namen, dass wir ein echt deutsch-französisches Unternehmen sind. Die Nachricht vom Tod unseres Eigentümers und Geschäftsführers macht uns natürlich alle sehr betroffen. Mittlerweile hat sich die Nachricht bei unseren Mitarbeitern wie ein Lauffeuer verbreitet. Nun ja, die Maschinen stehen ja auch derzeit still. Aber das wissen Sie ja, denke ich“, beendete Duvall seinen Satz, der Simarek gut vorbereitet erschien. Vermutlich hatte ein Mitarbeiter von ASP vom Tod Schmidtbauers in den Radionachrichten gehört und so hatte der Betrieb rund zwei Stunden Zeit gehabt, sich auf den
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