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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sich verzogen hatten.
    Vor ihm erstreckte sich eine weitläufige Eingangshalle. Etwas, das eine elegante Holztäfelung hätte sein können, war durch einen dunkelbraunen Anstrich gänzlich verschandelt.
    Dalziel kam es vor wie eine alptraumhafte Vergrößerung der engen Diele im Haus seiner Großmutter, das aus Gründen familiärer Loyalität jeden Sonntag besucht werden musste, wenngleich das presbyterianische Gewissen es verbot, dass jemand an einem solchen Besuch sein Vergnügen fände. Einen Augenblick lang fühlte er sich wie Alice im Wunderland: geschrumpft und völlig ausgeliefert.
    Eine Tür ging auf. Doch anstelle einer überdimensionalen Großmutter kam Mrs. Fielding heraus und ging zur Treppe.
    Dalziel hustete, und sie blieb stehen.
    »Ja?«, sagte sie. »Ach, Sie sind’s. Da ist das Telefon. Bedienen Sie sich.«
    Sie wandte sich wieder der Treppe zu, doch Dalziel hielt sie mit einem weiteren Donnerhuster auf.
    »Ich würde gerne meine Sachen trocknen«, sagte er. »Mich umziehen. Ein heißes Bad wäre auch nicht zu verachten.«
    Sie musterte ihn mit einem konsternierten, ziemlich verächtlichen Blick.
    »Hören Sie, wir sind
alle
nass, und das hier ist kein Hotel«, sagte sie. »In der Küche finden Sie vielleicht ein Handtuch.«
    Wieder wandte sie sich um.
    »Warten Sie«, sagte Dalziel.
    Sie ignorierte ihn und stieg die Treppe hoch.
    »Hören Sie«, bellte er ihr nach. Langsam verlor er die Geduld. »Ihre Tochter hat mir eins auf die Nase gegeben. Ihr Bootsmann hat mich auflaufen lassen, und dieses hirnlose lange Elend, dem Sie den Kahn überlassen haben, hat meinen Koffer ins Wasser geschmissen.«
    Sie blieb auf der vierten Stufe stehen. Er konnte ihr Gesicht im Schatten nicht sehen, doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie lächelte.
    »Sie haben sich doch dafür entschieden, sich mitnehmen zu lassen«, erinnerte sie ihn.
    »Werte Dame«, antwortete er. »Ich wusste nicht, was ich tat. Aber Sie wussten es. Sie müssen gewusst haben, dass ich mit größerer Wahrscheinlichkeit wohlbehalten hier angekommen wäre, wenn ich mich aufgemacht hätte, dieses verfluchte Wasser zu Fuß zu durchschreiten.«
    Jetzt lachte sie lauthals.
    »Es heißt doch, man solle sich vorsehen, Engel von der Schwelle zu weisen«, sagte sie. »Ich verstehe jetzt, wie leicht einem so etwas passieren kann. Kommen Sie, Mr. …?«
    »Dalziel«, sagte Dalziel und folgte ihr nach oben. Sein Koffer hinterließ eine Tropfenspur parallel zu jener, die sein durchweichter Mantel verursachte.
    Auf dem Treppenabsatz blieb sie unschlüssig stehen.
    »Im Moment ist es recht voll bei uns«, erklärte sie. »Das Haus ist zwar groß, aber die Hälfte der Schlafzimmer wird seit Jahren nicht mehr benutzt. Vielleicht …«
    Sie öffnete eine Tür und betrat einen dunklen Raum. Gleich darauf zog sie die Vorhänge weit auf und bedeutete Dalziel, hereinzukommen.
    »Sie sind doch nicht abergläubisch, oder?«, fragte sie. »Das war das Zimmer meines Mannes. Irgendwann muss es ja mal wieder benutzt werden. Es macht Ihnen doch nichts aus, oder?«
    Die letzte Frage konnte auch ironisch gemeint sein, denn Dalziel hatte bereits seinen Koffer geöffnet und begonnen, dessen feuchten Inhalt über das Bett zu verteilen.
    »Nicht die Spur«, sagte er. »Sehr freundlich.«
    »Wenn Sie durch die Tür da gehen, gibt es ein Badezimmer. Es hat auch eine Verbindung zu meinem Schlafzimmer, wenn die Tür also geschlossen ist, dann, weil ich da drinnen bin.«
    »Danke«, sagte er und schälte sich aus seinem Mantel. Doch sie ließ ihn noch nicht allein.
    »Sie sagten etwas von einem Schlag auf die Nase.«
    »Das war nichts weiter«, sagte er großmütig. »Ein Missverständnis.«
    »Aha. Nun ja, unsere Kinder scheinen es darauf anzulegen, missverstanden zu werden, und üblicherweise kommen Unbeteiligte dabei zu Schaden. Sehen Sie das nicht auch so, Mr. Dalziel?«
    »Ich bin nicht verheiratet«, sagte Dalziel, der sich nun schon seines riesigen Sportsakkos entledigt hatte und seine breiten khakifarbenen Hosenträger zur Schau stellte. »Und ich habe keine Kinder.«
    »Oh. Der Letzte Ihres Geschlechts, Mr. Dalziel?«
    »Aye. Könnte man so sagen. Oder das Ende der Fahnenstange.«
    Mit akkuraten, sparsamen Bewegungen sammelte sie die feuchten Kleider vom Bett auf. Ein Akt der Schonung ebenso wie der Liebenswürdigkeit.
    »Ich kümmere mich darum«, sagte sie. »Sie sehen aus, als könnten Sie sofort ein heißes Bad brauchen.«
    Dalziel war von dieser Sorge um seine

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