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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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abschwatzt. Ich bin Zeuge. He, Mavis!«
    Das Indianermädchen kam mit zwei Bechern Suppe zu ihm. Sie war wirklich eine auffallende Erscheinung, viel von Uniffs markanten Zügen war auch in ihren zu erkennen, doch bei ihr gingen sie bereits ins Regelmäßige über und näherten sich der Schönheit. Die Ähnlichkeit wurde bestätigt, als Uniff sagte: »Mave, das ist der Kapitän. Übernahm das Kommando in unserer Stunde der Not. Kapitän, darf ich Ihnen meine Schwester vorstellen?«
    »Sehr erfreut, Mr. Dalziel«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme bestätigte seine Einschätzung hinsichtlich Uniffs Herkunft. Liverpool. Daran gab es nichts zu rütteln.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Dalziel.
    »Das waren Sie auf der Brücke, oder? Sie haben ausgesehen, als würden Sie gleich ins Wasser gehen.«
    »Oder darauf«, sagte Uniff. »Die Wiederkunft des Herrn im Stil der Siebziger.«
    »Diesmal haben ihm die Wasser aber nicht so richtig gehorcht«, sagte Bertie und spähte durch die Chintzvorhänge am Fenster.
    Wieder öffnete sich die Tür, und Mrs. Fielding trat ein.
    »Alle da? Gut. Ist genügend Suppe da für alle? Wo ist denn Herrie? Und Nigel?«
    »Grandpa war da. Aber Nigel war noch nicht unten, oder?«
    Bertie sah Dalziel fragend an. Der schüttelte den Kopf.
    »Ich hoffe, er rennt nicht in seinen nassen Sachen herum«, sagte Mrs. Fielding. »Lou, Liebes, lauf mal nach oben und such ihn. Bring ihn herunter.«
    »Aber ich habe noch keine Suppe gehabt«, protestierte die Blondine. »Bertie kann ja gehen. Er ist fast fertig.«
    »Von Bertie nimmt er doch keine Notiz«, antwortete ihre Mutter streng. »Oder, noch schlimmer, wenn er schon auf dem Weg wäre, würde er es sich glatt anders überlegen. Du gehst.«
    »Mist«, sagte Louisa, doch sie ging.
    Mrs. Fielding trat jetzt an den Tisch und lächelte auf Dalziel nieder.
    »Ich habe eben die Werkstatt angerufen«, sagte sie.
    »Das tut mir aber leid, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Ich wollte es gerade selbst tun«, antwortete Dalziel.
    »Nein, mir ist eingefallen, dass Sie ja gar nicht wissen, wo die nächste ist, oder die beste. Na egal, sie waren jedenfalls ein wenig besorgt, als ich ihnen sagte, wo sie den Wagen finden. Dort steht jetzt die ganze Straße unter Wasser, und sie wissen nicht, ob ihr Abschleppwagen da durchkommt. Sobald es zu regnen aufhört, wird das Wasser natürlich ziemlich schnell ablaufen.«
    »Ich stecke also fest«, sagte Dalziel. »Tja, so ist das Leben. Also, wenn ich Ihr Telefon benutzen dürfte, dann such ich mir ein Hotel und ein Taxi. Wie nahe kommt ein Taxi hier heran?«
    »Er hat Angst vor einer weiteren Fahrt mit Charley«, sagte Bertie Fielding. »Seien Sie beruhigt, nur die Südseite ist überschwemmt, Mr. Dalziel. Die Straße Richtung Norden ist ein bisschen feucht, aber befahrbar. Ich würde sagen, im ›Lady Hamilton‹ in Orburn haben Sie die beste Chance, was meinst du, Mutter?«
    Dalziel stellte sich die Mischung von Bestürzung und Triumph in der Miene des Direktionsassistenten bei seiner Rückkehr vor und stöhnte innerlich auf.
    »Unsinn, Bertie«, antwortete sie. »Es ist teuer, unhygienisch und fünfzehn Kilometer weit weg. Mr. Dalziel wird bei uns bleiben, bis er seinen Wagen abholen kann. Bitte, Mr. Dalziel. Es wäre uns allen eine Freude, Sie bei uns zu haben.«
    Dalziel blickte langsam in die Runde und sah die kuriosesten Manifestationen von Freude in den einzelnen Gesichtern. Bei Mavis tarnte sie sich als Gleichgültigkeit, bei ihrem Bruder als amüsierte Verständnisinnigkeit, bei Tillotson als diffuse Verunsicherung und bei Bertie als unverhohlene Abneigung. Nur bei Bonnie Fielding zeigte sie sich annähernd so nackt, wie Gott sie geschaffen hatte.
    »Es wäre mir eine Freude zu bleiben«, sagte Dalziel.
    »Mutter«, sagte Louisa von der Tür her.
    »Hallo, Liebes. Hast du Nigel gefunden?«
    »Nein, aber ich habe das hier in seinem Zimmer gefunden.« Sie hielt einen Zettel in die Höhe.
    »Der Blödmann ist schon wieder abgehauen.«

[home]
    4
    Ortsbesichtigung
    D ie allgemein herrschende resignierte Verärgerung sagte Dalziel, dass es sich hier um routinemäßige Aufregung und nicht um eine größere Katastrophe handelte. Wie es aussah, war Nigel bereits mehrmals von zu Hause weggelaufen, um anderswo sein Glück zu suchen. Wenn Dalziel die abblätternde Farbe an den Wänden und die ausgebleichten Tapeten um ihn herum betrachtete, konnte er den Jungen bis zu einem gewissen Grade verstehen.

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