Ein nasses Grab
Gesundheit gerührt, bis er bemerkte, dass ihr Blick seine rechte Hand fixierte, die von ihm unbeabsichtigt sein Hemd aufgeknöpft hatte und sich nunmehr dem Kratzen seines Nabels widmete.
»Danke«, sagte er und zog sein Hemd aus.
Das Wasser in der altertümlichen Badewanne war siedend heiß und rostrot. Doch Dalziel, der gesehen hatte, dass braunes Torfwasser zur Herstellung des besten Whiskys verwendet wird, ließ sich von einer harmlosen Verfärbung nicht einschüchtern und suhlte sich genüsslich in der riesigen marmornen Wanne. Seine Füße ruhten auf puttengestaltigen Wasserhähnen, denen Zeit und mangelnde Pflege zu einem satyrhaft grünen Belag verholfen hatten.
Aus allem, was er bisher vom Haus gesehen hatte, schloss er, dass die Familie Fielding nicht auf Rosen gebettet war. Um ein Anwesen wie dieses in Schuss zu halten, brauchte man heutzutage viel Geld. Das bedeutete nicht unbedingt, dass sie arm waren, jedenfalls nicht für seine Verhältnisse. Es bedeutete allerdings, dass sie über
ihre
Verhältnisse gelebt hatten, oder anders ausgedrückt, dass ihre Mittel, zumindest was das Haus betraf, ihren rapide wachsenden Ausgaben hinterherhinkten. Einigermaßen erstaunt registrierte er, wie nachsichtig er diese reichen Müßiggänger zu beurteilen gewillt war. Denn so groß die Unzulänglichkeiten der jüngeren Generation auch sein mochten, Mrs. Fielding hielt er für eine sympathische, intelligente Frau. Und stattlich noch dazu. Obwohl das kein Wort war, dessen man sich heutzutage zur Beschreibung weiblicher Attraktivität noch bediente. Junge Damen mit flatternden Haaren, schwindsüchtigen Augen und fehlender Oberweite konnte man wohl kaum als stattlich bezeichnen. Ganz im Gegensatz zu Mrs. Fielding.
Einer der Putti schien ihn in diesem Moment unnötig anzüglich anzugrinsen. Eine Sinnestäuschung, hervorgerufen durch den Dampf. Dalziel stieg aus der Wanne und rubbelte sich kräftig ab.
Im Schlafzimmer entdeckte er, dass sein Fußpuder sich in der Dose zu einer Art Puddingcreme verflüssigt hatte. Auf der Suche nach Ersatz öffnete er den Badezimmerschrank.
Ein buntes Durcheinander von Kosmetika sowohl für die Dame als auch für den Herrn sowie eine Vielzahl von Pillenflaschen blickten ihm entgegen. Entweder Mrs. Fielding oder ihr verstorbener Gatte neigten ein wenig zur Hypochondrie, dachte Dalziel. Aus dem Gekrakel auf den Etiketten war nicht viel zu entziffern. Selbst die mit Druckbuchstaben geschriebenen Wörter waren kaum zu lesen.
Boots Piccadilly
schaffte er gerade noch. Aber
Propranolol
… war das vielleicht was gegen Fußpilz? Wahrscheinlich mehr gegen Hämorrhoiden. Da klopfte es an der Verbindungstür.
»Bin gleich fertig«, rief er.
»Ihre Hosen waren tropfnass«, antwortete Mrs. Fielding. »Ich habe sie zusammen mit den anderen Sachen zum Trocknen aufgehängt. Im Schrank finden Sie ein paar Sachen, die Sie vorläufig anziehen können, wenn Sie mögen. Unten gibt’s heiße Getränke.«
»Danke«, rief er. Eine gütige, fürsorgliche Frau, dachte er. Wenn sie sich einmal entschlossen hatte, entgegenkommend zu sein, dann zog sie das auch durch.
Mr. Fielding war zwar offensichtlich nicht ganz so dick gewesen wie Dalziel, aber groß und breitschultrig. Der Hosenbund ließ sich nicht schließen, doch ein langer Nylonpulli, der sich über seine ausladende Bauchkrümmung spannte, verdeckte das schändliche Schisma. Ein altes Sportsakko, ebenfalls nicht zu schließen, und ein Paar Hausschuhe vervollständigten die Garderobe. Es war Zeit hinunterzugehen.
Im Erdgeschoss verriet ihm kein Geräusch den Aufenthaltsort der heißen Getränke, doch nach drei Fehlversuchen öffnete er schließlich die Tür eines Raums, in dem tatsächlich menschliches Leben existierte.
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte gebieterisch der alte Mann. Er hielt einen Trinkbecher an seine dünnen, bläulichen Lippen und blickte ihn durch den daraus aufsteigenden Dampf finster an.
»Andrew Dalziel. Man hat mich mitgenommen. Mein Wagen hatte eine Panne. Kann ich auch was davon haben?«
Er ging zu dem breiten Küchentisch, auf dessen geschrubbter Holzfläche ein dampfender Krug stand.
»Nein. Das ist meiner. Für Sie steht was auf der Herdplatte da hinten.«
Da hinten
war die angrenzende Arbeitsküche, und dort stand, auf einem Gasherd, der beinahe so viele Jahre auf dem Buckel hatte wie das Haus selbst, ein Topf, dessen Inhalt seine Mutter wohl als »nahrhafte Brühe« bezeichnet hätte.
Er nahm einen großen
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