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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Vielleicht die Reste eines kalten Bratens. Er öffnete die Verpackung.
    »Ach du meine Fresse!«, sagte Dalziel.
    In der Folie, noch zusätzlich in einen Plastikbeutel verpackt, lag eine tote Ratte.
    Mag ja sein, dass die Sippschaft knapp bei Kasse ist, aber es gibt auch Grenzen, sagte er sich. Mit spitzen Fingern versenkte er den Leichnam wieder in sein eisiges Grab und schloss den Deckel.
    Sein Appetit hatte ihn vorläufig verlassen, deshalb zündete er sich eine Zigarette an und setzte sich wieder, um über diesen sonderbaren Haushalt nachzudenken.
    Wie sonderbar ist er wirklich?, fragte er sich. Also, da war zunächst einmal die Atmosphäre; die hatte nicht viel von einem Trauerhaus. Nicht, dass das etwas zu bedeuten hätte. Er war schon auf Beerdigungen gewesen, bei denen, als das arme Schwein endlich unter der Erde war, die eine Hälfte der Trauergäste wie gelähmt war und die andere sich zur Rückkehr in das Haus des Verblichenen in Startposition begeben hatte wie die Einwanderer beim Wettrennen um die Besiedlung von Oklahoma.
    Das mit der Atmosphäre war jedoch zu vage. Atmosphäre reichte zwar fürs Frühstück, zum Abendessen sollten es aber doch ein paar Fakten sein.
    Fakt eins war das Alter der Nicht-Fieldings. Als Altersgenossen von Bertie und Louisa waren sie eher nicht das, was man sich als Trauergäste bei der Beerdigung eines Mannes im Alter von Fielding erwartete.
    Fakt zwei war diese geschäftliche Besprechung, die gerade stattfand. Was taten die da – das Testament verlesen? Nicht sehr wahrscheinlich heutzutage. Also, was dann?
    Fakt drei war der Junge, Nigel. Sein Abschiedsbrief deutete darauf hin, dass die Turbulenzen in diesem Haushalt heftiger waren als jene, die gewöhnlich jugendliche Auflehnung hervorriefen.
    Fakt vier waren die rätselhaften Bemerkungen, die immer wieder über Fieldings Tod fallengelassen wurden.
    Und Fakt fünf war eine Gefriertruhe mit toter Ratte.
    Er stand auf und ließ seine Kippe in Berties Becher fallen. Wenn es darauf ankam, misstraute er Fakten ebenso sehr wie Atmosphäre. Er kannte mindestens drei unschuldige Männer, die sich aufgrund sogenannter
Fakten
die nächsten Jahre im Kerker Ihrer Majestät den Kasper schneuzen durften. Andererseits hatten andere Fakten bei anderen Gelegenheiten die drei vor einer wohlverdienten Verurteilung bewahrt. Wir sind alle in Gottes Hand.
    Also ließ er Fakten Fakten sein und machte sich auf zu einem Rundgang durch das Haus, in der Hoffnung, dabei der Wahrheit zu begegnen.
    Er schlenderte durch das braune Gruselkabinett der Eingangshalle und machte aufs Geratewohl Türen auf. In einem Zimmer stand ein Billardtisch in Originalgröße, vermutlich der, auf dem der Sarg geruht hatte. Auf dem Tisch lagen ein paar Kugeln, und an einer Lochtasche lehnte ein Queue. Da hatte es wohl jemand ganz eilig gehabt, wieder zu spielen.
    Dalziel ging weiter und erreichte die nächste Tür just in dem Moment, in dem dahinter ein Telefon zu klingeln begann.
    »Hallo!«, sagte die piepsige, aber immer noch herrische Stimme des alten Fielding. »Ja. Hier spricht Hereward Fielding.«
    Dafür stand also die Abkürzung »Herrie«. Herr, erbarme dich unser!
    Er blieb vor der Tür stehen. Er war der festen Überzeugung, dass jemand, der nicht genug Verstand hatte, seine Stimme zu senken, entweder wollte, dass man ihn belauschte, oder es wenigstens verdiente.
    »Nein, ich werde meine Meinung nicht ändern«, sagte Fielding. »Und ich bin zu alt, um mich bestechen, überreden oder mir etwas abschmeicheln zu lassen. Und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe. Ich habe heute gerade meinen Sohn beerdigt, jawohl, meinen Sohn. Ersparen Sie mir Ihr Beileid. Sie können morgen kommen, wenn Sie wollen, aber ich gebe keine Versprechen bezüglich meiner Verfügbarkeit. Guten Tag.«
    Der Hörer wurde mit einem lauten Klacken aufgelegt. Dalziel stieß die Tür auf und trat ein.
    Der Raum war groß und hässlich, das Mobiliar so alt, dass es schäbig wirkte, ohne auch nur in die Nähe der sich ständig ändernden Zielvorstellung von Antiquitäten gekommen zu sein. Fielding hatte sich vom Telefon ab- und einem Wandschrank zugewandt, dessen Tür zu klemmen schien. Er sah zu Dalziel hoch.
    »Ach, Sie sind’s«, sagte er, während er die Tür anhob. Sie flog auf, ein Glas geriet aus dem Gleichgewicht und fiel auf den abgewetzten Teppich. Er ignorierte es und holte stattdessen ein anderes zusammen mit einer Flasche heraus. Dalziel heftete seinen Blick auf letztere. Es

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