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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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und berührten sich durch ihr Auf und Ab gelegentlich mit einem dumpfen Geräusch wie von ferner Artillerie. Die Wolkendecke über ihm hatte jetzt aufgerissen, und Sternhaufen leuchteten durch die unregelmäßigen Löcher. Dalziel betrachtete sie eine Weile, dann sah er weg. Die starre Klarheit, mit der sie auf ihn herunterblickten, erweckte in ihm das unangenehme Gefühl, sie säßen über ihn zu Gericht. Einmal hatte er einem widerspenstigen Verdächtigen Gerechtigkeit versprochen, wenn er kooperiere.
Gerechtigkeit kann jedes Arschloch kriegen,
hatte der Mann geantwortet.
Ich will Gnade
. Er hatte sieben Jahre bekommen. Wenn man die Leute nicht ins Gefängnis stecken würde, überlegte Dalziel, sondern ihnen die Jahre, die sie absitzen müssen, abzöge und den Polizisten gutschriebe, die sie verhaften, dann wäre ich jetzt schon so gut wie unsterblich!
    So viele Jahre, arbeitete es in seinem Kopf. So viele Jahre für all die Männer. Und für all die Männer, die sie bewachten. Und für all die Männer, die hinter ihnen her waren und sie zur Strecke brachten und sie anklagten und sie verurteilten. Es hieß, dass es zu viele Sterne gab, als dass man sie zählen könnte. Und letzten Endes würden, wenn der Menschheit nicht irgendetwas Seltsames und Unglaubliches widerfuhr, auch all diese Jahre eine Summe ergeben, die kein menschliches Gehirn sich mehr vorstellen könnte.
    In seinem Gehirn ging es zu wie in einem Groschenroman. Solche Spekulationen waren nichts für einen Detective Superintendent der alten Garde, egal, wie viele schlaflose Nächte er hinter sich hatte und wie viele Frauen sich als ebenso unzuverlässig erwiesen hatten wie die erste. Den Blick immer schön auf den Boden gerichtet, dann konnte man nicht fehlgehen. Vorsichtig, aber stetig arbeitete er sich den Landungssteg voran bis zu den fehlenden Planken. In Wirklichkeit fehlten sie gar nicht, sie waren nur eingebrochen, und ihre gezackten Ränder hingen ins Wasser.
    Dalziel rührte sich nicht, sondern stand ganz still da und spähte durch die Lücke. Es gab gerade genug Licht, um die matt glänzende Wasseroberfläche ausmachen zu können, auf der regenbogenfarbige Wirbel tanzten. Der Wind frischte auf, die kleinen Wellen schwappten, die Boote trafen aufeinander. Und mit einem Mal, als hätte es Dalziels starrer Blick in die Höhe gezogen, tauchte ein Gesicht auf.
    Dalziel betrachtete es ohne Erstaunen. Seit er dieser Fluten zum ersten Mal ansichtig geworden war, hatte er auf eine Leiche gewartet. Das Gesicht versank wieder, doch rasch fuhr er mit den Händen in das eisige Wasser, packte den triefnassen Kragen und riss den Oberkörper aus dem See.
    So lange hatten die Gesichtszüge noch nicht unter Wasser zugebracht, dass die Identifizierung ein Problem war. Es war Spinx, der Versicherungsdetektiv.
    »Ahoi!«, sagte Dalziel.

[home]
    12
    Morgendliche Ausblicke
    N a gut, dann ist es also Tod durch Unfall!«, sagte Cross.
    »Das habe ich nicht gesagt«, meinte Dalziel.
    »Und, was sagen Sie dann, Sir?«
    »Sie haben den Schauplatz so gut gesehen wie ich. Diese Planken
waren
durchgefault. Es gibt eine Stelle an seinem Kopf, wo er sich am Hauptstützbalken angeschlagen haben
könnte,
als er fiel, und an der Kante des Balkens gibt es Spuren, die von Blut stammen
könnten
. Man muss eben den Autopsiebericht und die Laborberichte abwarten.«
    »Das weiß ich doch alles«, sagte Cross. »Aber die Frage ist, was ich
jetzt tun
soll. Ich meine, da gibt es noch die ganzen anderen Punkte …«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Na, diese Greave zum Beispiel. Und Mr. Fieldings Tod vor so kurzer Zeit. Jede Menge Merkwürdigkeiten, Sir. Ich bitte Sie um Ihren Rat.«
    »Wenn Sie meinen Rat hören wollen«, sagte Dalziel, »dann tun Sie genau das, was Sie getan hätten, wenn ich nicht da gewesen wäre. Ich persönlich, und das ist jetzt kein Rat, sondern nur laut nachgedacht, ich würde eine Plane an dem einen Ende des Landungsstegs plazieren und einen Wachmann an dem anderen und mich wieder zu meinen Hühnern schleichen.«
    Cross sah ihn unentschlossen an, da läutete im Haus das Telefon. Einen Augenblick später erschien Bonnie in der Haustür und sagte: »Sergeant Cross, für Sie.«
    Cross ging ins Haus. Dalziel zündete sich geistesabwesend eine Zigarette an. Es war ungefähr die zwanzigste, die er sich in den letzten paar Stunden geistesabwesend angezündet hatte. Langsam wurde er ziemlich versiert darin, seinen Geist vor die Tür zu schicken, wenn er etwas tat, was er

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