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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sich so sehr von ihm unterschied wie Kalk von Käse, der es weiter bringen würde, als Dalziel sich in seinen verrücktesten Träumen gesehen hatte, der aber auch
so
enden konnte, allein in einem dunklen Zimmer, allein mit Schnaps und Angst.
    »Scheiße!«, sagte Dalziel und stand auf. »Ich werde wunderlich.«
    Er machte die Leselampe aus, deren Lichtkegel den Tisch erhellt hatte, und blieb einen Moment stehen, bis seine Augen sich an die totale Finsternis gewöhnt hatten. Als er die Tür in die Halle öffnete, hörte er das Geräusch eines Wagens draußen auf der Kiesauffahrt und blieb wie angewurzelt stehen. Einen Augenblick später ging die Haustür leise auf, und jemand trat ein. Das Licht in der Halle ging an, und durch die geöffnete Zimmertür sah Dalziel Uniff, der eine Wildlederjacke mit Gürtel und eine schwarze Aktentasche trug. Sein Bart und sein Benehmen, beherrscht, aber verstohlen, verstärkten den Gesamteindruck eines Anarchisten vom Balkan, der etwas im Schilde führte. Er schloss und verriegelte die Haustür, sah sich um, als müsse er sich erst orientieren, machte das Licht aus und stieg vorsichtig die Treppe hoch.
    Dalziel gab ihm fünf Minuten, in denen er seinen Verstand mit der unerschöpflichen Erfahrung eines Polizistenlebens wieder den Rätseln dieses Haushalts zuwandte und keinen Millimeter weiterkam. Dann tappte auch er auf Zehenspitzen vorsichtig nach oben. Als er ebenso behutsam die Tür zu seinem Zimmer öffnete, wurde ihm plötzlich klar, dass er im Geiste, und bislang unausgedrückt, die Hoffnung hegte, Bonnie möge ihn darin erwarten. Doch das Zimmer war leer, und er rang sich ein zynisches Lächeln über seine zwiespältigen Gefühle ab. Rasch zog er sich aus und ging ins Bad. Er schaltete das Licht nicht ein, sondern betrachtete einigermaßen verunsichert die Tür zu Bonnies Zimmer. War sie offen oder verschlossen? Was wäre ihm lieber, und abgesehen davon, was würde er tun?
    Nichts, war die Antwort. Natürlich würde er nichts tun. Aber er dachte noch immer darüber nach und hatte seine Hand tatsächlich schon auf dem Türknauf, als er die Stimmen hörte. Sie waren so leise, dass er selbst mit fest an das Holz gepresstem Ohr nicht das Geringste verstehen konnte. Doch eines erkannte er: Es waren zwei Stimmen – eine männliche und eine weibliche.
    So behutsam er sich der Tür genähert hatte, zog er sich auch wieder zurück. Wäre er der Typ für Abendgebete gewesen, hätte er vielleicht gesagt: »Danke, Herr, dass du nichts geändert hast.« Doch er tat es nicht. Er stieg einfach nur ins Bett und fiel in den tiefsten, gesündesten Schlaf, der ihm seit Monaten zuteilgeworden war.
     
    Am nächsten Morgen war er um halb acht unten am See und begutachtete den Schauplatz von Spinx’ Tod bei Tageslicht. In der vergangenen Nacht hatte es nicht geregnet, und der Wasserstand war um weitere fünfzehn Zentimeter gesunken. Nachdem er den Constable, den Cross zum Wachdienst abkommandiert hatte, auf Frühstückssuche geschickt hatte, spähte Dalziel mit beträchtlichem Desinteresse in das Loch, das die zerbrochenen Planken hinterlassen hatten. Seine Einstellung zu materiellen Anhaltspunkten entsprach in etwa jener moderner Christen zu Wundern. Schon möglich, dass sie geschahen, doch nicht gerade in diesem Augenblick. Trotzdem sollte man die Möglichkeit nie ausschließen, und so sprang er hinunter in den Entenkahn, um sich den Landungssteg aus der Entenperspektive anzusehen.
    Die drei gebrochenen Bretter hingen wie alte Gräten ins Wasser. Vorsichtig stocherte er auf ihnen herum, mit einem antiken Taschenmesser, das seinem Besitzer, wäre er langhaarig und jugendlich und bei einem Fußballspiel damit bewaffnet gewesen, drei Monate eingebracht hätte. Die zwei äußeren Bretter waren weich, aber einigermaßen massiv, das dritte war fast völlig durchgefault und vermutlich die Wurzel allen Übels. Wenn Spinx mit seinem ganzen Gewicht darauf zu stehen gekommen war, konnte es sehr leicht nachgegeben haben. Dadurch konnte er vorwärtsgestürzt sein und sich den Kopf an den Holzpfosten angeschlagen haben, die den Steg dort trugen, während sein Körper mit so großer Wucht auf die beiden anderen Planken gestürzt war, dass er sie durchschlagen hatte.
    Bewusstlos von dem Aufprall, wäre er schnell ertrunken und hier zwischen den unter Wasser befindlichen Teilen der Stützbalken festgehalten worden, bis Dalziel ihn fand.
    So kann es passiert sein, dachte Dalziel, während er sich eine Zigarette

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