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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gesagt?«
    »Nein, ich glaube nicht. Hätte jemand das tun sollen?«
    Kann jemand tatsächlich so dämlich sein?, fragte sich Dalziel. Finster sah er Tillotson an, auf dessen Gesicht Anzeichen von Unbehagen sichtbar wurden wie der erste Hauch des heranziehenden Sturms in einem Weizenfeld.
    »Möchten Sie mit ihm sprechen? Soll ich ihn holen?«, erbot sich Tillotson, der jetzt gerne das Weite gesucht hätte.
    »Nein«, knurrte Dalziel, der seine Bemühungen, den noch immer schlafenden Fielding aus dem Wagen zu bugsieren, unterbrochen hatte. »Sie kümmern sich um den Alten.«
    »Oh. Ist er krank?«, fragte Tillotson besorgt.
    »Nein«, antwortete Dalziel. »Er ist be
wusst
los, was bedeutet, er
weiß
nicht, dass er wieder in diesem verfluchten Irrenhaus ist, was wiederum bedeutet, meiner Meinung nach jedenfalls, dass es ihm blendend geht. Hier, fassen Sie an.«
    Er fand Papworth in seinem Zimmer. Der Mann lag ausgestreckt auf dem Bett und schien zu schlafen. Er war vollständig bekleidet, bis auf die Schuhe, die auf dem Boden lagen, als hätte er sie sich bereits im Liegen von den Füßen getreten. Im Zimmer roch es nach Tabak, Schweiß und noch etwas anderem, Unangenehmem, das Dalziel nicht zuordnen konnte.
    »Auf die Füße, Papworth«, kommandierte Dalziel.
    Der Mann rührte sich nicht, aber Dalziel spürte, dass er wach war. Er hob den rechten Fuß, setzte ihn an das Bettende und trat mit aller Wucht dagegen. Das Bett bewegte sich ein paar Zentimeter und krachte gegen die Wand.
    Papworth fuhr in die Höhe, das Gesicht starr vor Wut.
    »Sie blödes, fettes Arschloch!«, sagte er.
    »Immer mit der Ruhe«, meinte Dalziel sanft. »Sie sehen aus, als wollten Sie mich umbringen.«
    »Bringen Sie mich bloß nicht auf Ideen«, sagte Papworth und schwang die Beine vom Bett.
    »Sie meinen, Sie könnten jemanden umbringen, nur weil er Sie aufgeweckt hat?«, fragte Dalziel. »Interessant!«
    »Das haben
Sie
gesagt. Warum hauen Sie nicht einfach ab?«
    Dalziel grinste abscheulich. »Ich sollte Sie vielleicht darauf hinweisen, Mr. Papworth, dass ich Polizist bin.«
    »Können Sie sich sparen, das weiß ich. So was riecht man.«
    »Würde mich wundern, hier drin«, sagte Dalziel und schnupperte. »Was wissen Sie sonst noch, Mr. Papworth?«
    »Was meinen Sie?«
    »Ach, kommen Sie!«, blaffte Dalziel. »Spielen Sie hier nicht den Dorftrottel. Diese versiffte Großstadtmatratze, die Sie als Ihre Tochter ausgegeben haben, die ist gestern Abend verschwunden. Wo ist sie hin?«
    »Mrs. Greave? Keine Ahnung. Sie ist ein freier Mensch. Was ist los? Hat sie sich vielleicht unerlaubt entfernt?«
    »Nicht, dass sie
sich
unerlaubt entfernt hat, ist das Problem, sondern dass sie
was anderes
unerlaubt entfernt hat.«
    Er listete kurz die verschwundenen Dinge auf. Papworth, der sich jetzt völlig im Griff hatte, zeigte sich unbeeindruckt.
    »So viel? Da muss sie aber eine ganz schön große Tasche gehabt haben.«
    »Keine Spur«, sagte Dalziel, der sich auch wieder beruhigt hatte. »Das Zeug wurde schon seit längerem beiseitegeschafft. Und Ihnen ist nie was aufgefallen?«
    »Ich bin für draußen zuständig«, erwiderte Papworth. »Wenn sie Bäume mitgenommen hätte, wär’s mir aufgefallen.«
    Dalziel lächelte innerlich. Nichts liebte er so sehr wie einen Witzbold. Seiner Erfahrung bei Vernehmungen nach waren Witze die letzte Zuflucht des Schuldigen, und sie waren im Allgemeinen ein Zeichen tiefer Unsicherheit und nicht des Selbstvertrauens, das demonstriert werden sollte.
    »Schauen Sie«, sagte er mit vor Vernunft triefender Stimme, »es gibt nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen. Ignorieren Sie mich einfach, wenn ich zu schreien anfange. Das ist meine Erziehung. Ich bin wie Sie. Solide Wurzeln. Arbeiterklasse. Dieser ganze formelle Schnickschnack, so was liegt mir nicht. Schauen Sie. Diese Annie Greave, wir wissen doch alle, was sie
nicht
ist. Ihre Tochter nämlich. Und wir wissen, was sie
ist
. Eine Nutte aus Liverpool. Was wir nicht wissen, ist,
wo
sie ist. Und wir könnten sie leichter finden, wenn Sie uns sagen, wie Sie beide sich überhaupt kennengelernt haben.«
    »Wenn sie eine Nutte ist«, sagte Papworth, »dann müsste Ihnen das doch klar sein, oder?«
    »Stimmt«, sagte Dalziel mit angenehm überraschter Miene, als ob dieser Gedanke ihm noch nicht gekommen wäre. »Dann haben Sie sie also irgendwo aufgegabelt. Und wo – in Liverpool?«
    »Genau.«
    »Hab ich mir gedacht. Was hatten Sie denn in Liverpool zu tun?

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