Ein nasses Grab
nicht gefallen, wie Cross den Dicken gelegentlich eher in eine Reihe mit der Lake-House-Gang zu stellen schien als mit den Hütern von Recht und Ordnung.
Aber es war doch Dalziel selbst gewesen, der alles aufgerührt hatte, versuchte er sich zu beruhigen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sein Vorgesetzter sich jemals mit der Unterschlagung von Beweisen die Hände schmutzig machen würde. Obwohl natürlich streng genommen an der Unterschlagung einer Theorie nichts Illegales war. Doch der Dalziel, der jahrelang sein Mentor gewesen war, würde sich mit solchen Haarspaltereien nicht aufhalten.
»Wir sollten lieber wieder hineingehen«, sagte Pascoe. »Unsere Frauen machen sich bestimmt schon Gedanken.«
»Ich bin schon fünfzehn Jahre verheiratet«, sagte Cross. »Nach den ersten zehn macht sich keine Polizistenfrau mehr Gedanken. Da fängt sie an, einem Szenen zu machen. Kommen Sie.«
Doch drinnen liefen sie wieder Dalziel über den Weg. Er wirkte besorgt und unschlüssig, ein Gesichtsausdruck, den Pascoe auf seinem Gesicht ungefähr so oft gesehen hatte wie ein Lächeln im Gesicht eines Totengräbers.
»Balderstone hat gerade angerufen«, sagte Dalziel übergangslos. »Das Flugzeug ist gelandet, leider ohne Butt.«
»Was?«, rief Cross aus.
»Anscheinend wurde ihm auf dem Flughafen in Rio übel. Die Rettung hat ihn ins Krankenhaus gebracht.«
»Sehr praktisch«, bemerkte Cross. »Ich würde sagen, damit ist die Sache klar. Sieht so aus, als müssten wir von jetzt an auf die harte Tour weitermachen. Ich nehme nicht an, dass Sie Freiwillige suchen, die ein paar Tage in Rio verbringen und ihn zum Plaudern bringen wollen, oder, Sir?«
Dalziel antwortete nicht, sondern drehte sich um und verschwand in Richtung Küche. Cross sah Pascoe achselzuckend an, und die beiden gingen wieder in den Bankettsaal.
»Ich dachte schon, du hast dich verirrt«, bemerkte Ellies Vater.
»Es gab eine Schlange am Klo«, log Pascoe und versuchte, sich wieder auf seinen Platz neben der Bürgersfrau zu zwängen, deren Schenkel offensichtlich wie ein Stück reifer Brie in die Breite gegangen waren.
»Du hast den Paladin-Pudding verpasst«, begrüßte ihn Ellie.
»Glaub ich eigentlich nicht«, sagte Pascoe.
Der Abend hatte nun das Stadium erreicht, in dem die Historie sich ein Duell mit der Nostalgie lieferte – ein Zweikampf, den Erstere unmöglich gewinnen konnte. Der bärtige Fotograf war wieder aufgetaucht, diesmal mit einer Gitarre in der Hand, und obgleich das metgetränkte Publikum der ersten Strophe eines mittelalterlichen Liebeslieds bereitwillig lauschte, weigerte es sich, diese Aufmerksamkeit auch den folgenden zuteilwerden zu lassen. Im Handumdrehen erspürte der Gitarrist diesen Geschmacks- und Sinneswandel und stellte sich mit amerikanischen, britischen und irischen Volksliedern darauf ein. Bald grölte der ganze Saal, dass sich die Plastikbalken bogen.
Diese kulturelle Glanzleistung dauerte dreißig Minuten. Dann waren die Tische leergeräumt (eine Vorsichtsmaßnahme gegen Souvenirjäger, hinter der Pascoe Dalziels Wirken zu entdecken vermeinte), und der Gitarrist verkündete, dass es nun Kaffee gebe und die Bar bis halb elf offen stünde. Offensichtlich fand historische Authentizität dort ihr Ende, wo das Sperrstundengesetz seinen Anfang nahm.
Ellie und Pascoe blieben sitzen, während um sie herum alles dem Ausgang zudrängte.
»Von jetzt bis zur Sperrstunde können sie ein Pfund pro Getränk verlangen«, meinte Pascoe. »Das müsste Dalziel eigentlich gefallen.«
»Warum?«
»Er ist Teilhaber.«
Schnell berichtete er ihr alles, was er an diesem Abend erfahren hatte. Als er fertig war, pfiff Ellie angelegentlich.
»Wie ist sie?«, fragte sie.
»Wer?«
»Diese Frau. Bonnie Fielding.«
»Woher soll ich das wissen? Ich habe sie nur von ferne gesehen. Dein Vater ist der Meinung, sie verlangt zu viel.«
»Na, hoffentlich verlangt sie nicht zu viel vom dicken Andy«, meinte Ellie. »Komm, schauen wir sie uns an.«
»Er kann ganz gut auf sich selbst aufpassen, weißt du«, sagte Pascoe im Aufstehen.
»Ha!«, schnaubte sie.
»Was soll das heißen?«, fragte er, als sie sich durch die Menge zur Bar quetschten.
»Ich meine, der war reif zum Pflücken, wenn man was auf sein Gefasel bei unserem Empfang gibt. Er glaubt nicht mehr an seine unsterbliche Seele. Ich habe gesehen, wie die Symptome sich langsam entwickelten. Deine Heirat war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen
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