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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Pascoes Geständnis ignorierend, über seine Schulter hinweg. Ihre Haltung war eine Pantomime der Ungläubigkeit.
    »Peter«, sagte sie, »halt dich fest.«
    Langsam drehte Pascoe sich um. Was er da sah, versetzte ihm einen derartigen Schock, dass er tatsächlich den Bürgerinnenschenkel zu seiner Stabilisierung brauchte.
    »Himmel hilf!«, sagte er.
    Am anderen Ende des Saals, in einen grünen Samtumhang gehüllt und eine mit einer Pfauenfeder verzierte labberige blaue Mütze auf dem Kopf, stand Detective Superintendent Andrew Dalziel.
    Pascoe lachte so heftig, dass er seine Großherzogliche Gemüsesuppe nicht löffeln konnte und auch beim Kurfürstlichen Kapaun noch Schwierigkeiten hatte. Die Bürgerin führte das glücklicherweise auf ihre eigene zwerchfellerschütternde Konversation zurück. Nur Ellie verstand den Grund seiner Heiterkeit, auch wenn sie diese nach einem anfänglichen Lachanfall ihrerseits bald nicht mehr zu teilen schien.
    »Was
macht
er da, Peter?«, fragte sie unter dem Feuerschutz des Gekreisches, das losbrach, als ein Witzbold die Tudorsche Methode der Entsorgung von Hühnerknochen demonstrierte und sofort imitiert wurde.
    »Weiß der Himmel«, antwortete Pascoe. »Aber er hat mich noch nicht gesehen. Hierher!«
    Er winkte einem bärtigen Jüngling im Hofnarrenkostüm, der herumging und Blitzlichtaufnahmen zu fünfzig Pence das Stück machte.
    »Jawohl, Mann, schnappen Sie sich die junge Dame – und lächeln!«
    »Nein, nein. Nicht mich«, sagte Pascoe. »Ich hätte gern ein Foto von ihm. Dem imposanten Edelmann im grünen Nachthemd.«
    »Nein, Peter!«, protestierte Ellie. Doch da hatte sich der Fotograf, die Augenbrauen fragend hochgezogen, bereits entfernt.
    »Andy, Süßer, Sie haben Fans«, sagte Uniff.
    »Was?«
    »Der Typ da hinten will ein Foto. Wohlan denn, zum mittelalterlichen Gaudium. Sagen Sie Ameisenscheiße.«
    »Scheiße«, sagte Dalziel, als er in die Richtung blickte, die Uniff ihm durch eine Kopfbewegung angezeigt hatte.
    »Was, zum Teufel, tun Sie hier?«, knurrte er Pascoe ein paar Minuten später ins Ohr.
    »Mich königlich amüsieren«, sagte Pascoe grinsend. Der Met hatte doch eine stärkere Wirkung als erwartet.
    »Zeit, dass Sie mal eben für Königstiger gehen«, sagte Dalziel. Er nickte Ellie streng zu und schritt davon.
    »Alles okay, Andy?«, fragte ihn Bonnie, die er vor der Tür traf.
    »Bestens«, antwortete er. »Was machst du hier?«
    »Bin nur schnell auf eine Zigarette herausgekommen. In der Küche ist es heiß wie in einem Backofen.«
    Das glaubte Dalziel ihr aufs Wort. Es war eine schwüle, feuchte Nacht, und Nebelkränze stiegen vom See auf, den nicht eine Welle kräuselte.
    »Jetzt muss ich wohl wieder an die Arbeit«, sagte Bonnie. Einen Moment legte sie ihm die Hand auf den Arm und erhob ihr Gesicht zu seinem.
    Während er sie küsste, ging die Tür zum Bankettsaal auf, und jemand trat heraus.
    »Bis später«, sagte Bonnie und ging.
    »Ja, wen haben wir denn da?«, sagte Pascoe.
    »Schauen Sie, dass Sie nüchtern werden, bevor Sie was sagen, was Ihnen später leidtut«, sagte Dalziel verdrießlich. »Gehen wir hinaus.«
    Gemeinsam standen sie im gepflasterten Hof und konnten einander kaum sehen in dem spärlichen Licht, das sich durch die bunten Plastikfenster aus dem Bankettsaal stahl. Der Lärm tat dies mit weit größerem Erfolg, so dass die ganze Szene wirkte, als lauschten sie einer Orgie in einer Kirche. Pascoe atmete tief ein und überlegte, was er sagen konnte, ohne beleidigend zu klingen.
    »Ein schöner Urlaub, Sir?«, war das Optimum.
    »Herrlich«, sagte Dalziel und wiederholte dann das Wort mit einem Anflug von Überraschung in der Stimme.
    Denn in mehrfacher Hinsicht entsprach es der Wahrheit, wie er soeben erkannt hatte. In der vergangenen Woche war er völlig in den Vorbereitungen für die Inbetriebnahme des Restaurants aufgegangen. Nach der Anfangsreaktion auf seine Beteiligung waren sie erstaunlich rasch zu einem guten Team zusammengewachsen. Zwar waren in Lake House schon die verschiedensten Talente versammelt, doch was Dalziel anzubieten hatte, war Schwungkraft. Er sorgte dafür, dass die Dinge in Bewegung gerieten und in Bewegung blieben, üblicherweise durch nackte Gewalt.
    Sein massiver Einsatz erfüllte einen zweifachen Zweck. Es lenkte ihn sowohl von der Vergangenheit als auch von der Zukunft ab. Der Dalziel, dessen Nächte von Zweifel und Reue erfüllt waren, befand sich nun gemeinsam mit dem anderen Dalziel, dessen

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