Ein neuer Anfang?
das Ende nahte. Und wenn es kam, wollte sie es ruhig und würdevoll aufnehmen.
„Ja, ich würde gern etwas trinken“, antwortete sie lässig. Denn auch wenn er es nicht nötig hatte, sie konnte einen Drink vertragen.
Sie zogen sich schweigend an. Immer wieder bückte sich mal der eine, mal der andere, um Kleidungsstücke vom Boden aufzuheben und auszuschütteln. Als Kiloran ihren Slip überstreifte, merkte sie, dass Adam sie nicht wie sonst dabei beobachtete. Normalerweise genoss er es, ihr beim Anziehen zuzusehen.
Diesmal schien er mit etwas beschäftigt zu sein. Dafür sprach unter anderem, dass er zur Uhr sah. Das hatte er seit Wochen nicht getan.
Im Wohnzimmer fragte sie: „Was wollen wir denn trinken?“ Hoffte sie immer noch, dass er Champagner vorschlagen würde, weil es etwas zu feiern gab?
„Für mich einen kleinen Scotch, bitte.“
Beinah hätte sie ihn gefragt, ob er es wirklich für angezeigt hielt, Alkohol zu trinken. Gerade noch rechtzeitig überlegte sie es sich anders. Er hatte ja unmissverständlich klargemacht, dass ihre Zeit als Krankenpflegerin vorbei war. Nun kam sie sich seltsam überflüssig vor. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, setzte sich auf eins der Sofas und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
Sie brauchte nicht lange zu warten.
Adam runzelte die Stirn. „Ich muss zurück, Kiloran!“
„Wohin denn?“
„Nach London.“
„Du willst doch nicht gleich wieder anfangen zu arbeiten?“ fragte sie besorgt.
Er schüttelte den Kopf. Das erwartete Kiloran also von ihm? War er demnach ein Workaholic? Wer sonst würde sich, wenige Stunden nachdem er das Gedächtnis wiedererlangt hatte, in die Arbeit stürzen? „Nein, nicht sofort. Ich will einen Neurologen aufsuchen und mich gründlich durchchecken lassen.“
„Und dann?“
„Darüber hinaus habe ich noch nichts entschieden.“
Was ist mit mir? hätte Kiloran gern gefragt. Wann sehe ich dich wieder? Doch wenn Adam von sich aus nichts sagte, würde sie auch nicht damit anfangen. Sie wollte weder bitten noch betteln und nichts von ihm bekommen, das er nicht freiwillig geben mochte.
„Wann fährst du?“
Wieder sah er zur Uhr. „Wenn ich mich beeile, erwische ich gerade noch den letzten Zug.“
„Soll ich dich nach London fahren?“
„Nein, danke. Das ist nett von dir, Kiloran, aber ich bin dir lange genug zur Last gefallen.“
Zur Last gefallen? Jetzt hörte er sich an wie ein Wochenendgast, der einige Tage länger geblieben war als erwünscht!
„Dann geh, und pack deine Sachen!“ Sie stellte ihr Weinglas ab, an dem sie kaum genippt hatte. „Ich bringe dich zum Bahnhof.“
Kiloran wartete, während Adam einpackte, was sie ihm aus London hatte nachschicken lassen. Außerdem hatte sie veranlasst, dass seine Post an seinen Rechtsanwalt ging, für den Fall, dass etwas Dringendes dabei war oder etwas, das Adam überfordert hätte. Als es ihm dann besser gegangen war, hatte sie es dabei belassen, denn sie gönnte ihm die Ruhe und den Frieden.
Leider waren viele Fragen offen geblieben, weil sie ihn nicht hatte ermüden oder überanstrengen wollen. Es schien nie der richtige Moment dafür zu sein. Zum Beispiel wusste sie immer noch nicht, warum er an dem Abend, an dem der Unfall sich ereignet hatte, zu ihr unterwegs gewesen war.
Einen Koffer in der Hand, kam Adam die Treppe herunter.
„Fertig?“ fragte Kiloran lässig.
Er dachte daran, wie viel er ihr verdankte. „Kiloran, ich …“
„Lass nur, Adam!“ fiel sie ihm ins Wort. Sie würde es nicht ertragen, wenn er ihr jetzt mit den üblichen Abschiedsfloskeln kam! Als wäre sie seine Haushälterin, die er nun in Pension schicken konnte!
„Ich möchte dir aber danken für deine …“
„Sei still!“ unterbrach sie ihn ärgerlich. „Bitte sag nichts. Ich habe es gern getan.“
Adam nickte und schwieg. Plötzlich kam es ihm vor, als wäre Kiloran meilenweit von ihm entfernt. Natürlich hätte er sie in die Arme nehmen und küssen können, um die Atmosphäre etwas aufzulockern. Aber das hätte den Abschied nur hinausgezögert. Er konnte einfach nicht so weitermachen. Mit einem Leben, das aus lauter Puzzleteilen bestand, die nicht zusammenpassten. Irgendetwas Wichtiges fehlte.
„Wenn wir den Zug erreichen wollen, müssen wir allmählich los, Adam!“ Abschied fällt immer schwer, sagte sich Kiloran. Sie hoffte, dass der Zug pünktlich kommen würde, damit sie nicht lange auf dem Bahnsteig warten mussten. Es wäre ihr zu schwer gefallen, die ganze
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