Ein neuer Anfang?
Zeit über die Tränen zurückzuhalten.
Aber als der Express nach London auf die Minute pünktlich mit quietschenden Bremsen zum Halten kam, war es ihr auch wieder nicht recht.
„Auf Wiedersehen, Adam!“
„Komm her!“ Adam zog sie in die Arme und küsste sie. Es wurde ein langer, bitter-süßer Kuss, der wie ein endgültiger Abschied wirkte. Als würden sie etwas besiegeln, das vorbei war. Als Adam schließlich den Kopf hob, weil der Schaffner pfiff, lag in seinem Blick so etwas wie Bedauern.
„Ich rufe dich an“, flüsterte er. „Okay?“
Wann denn? hätte Kiloran gern gefragt, aber sie konnte ihm nicht noch eine Last aufbürden. Sie würde weder die Eifersüchtige noch die Bedürftige spielen. Nichts würde sie spielen, denn eine Beziehung war kein Spiel. Wenn man Spiele spielen musste, damit eine Beziehung hielt, war sie die Mühe vermutlich gar nicht wert.
Vielleicht sollte sie es ihm leicht machen? Ihm mitteilen, dass er sich zu nichts verpflichtet zu fühlen brauchte und sie sein Bedürfnis wegzufahren verstand? Am Ende sagte Kiloran gar nichts, denn ihr fiel nichts Passendes ein.
Als der Schaffner noch einmal pfiff, war sie erleichtert und traurig zugleich. Wieder einmal fuhr Adam ab, doch diesmal war es anders als sonst.
„Auf Wiedersehen, Adam!“ flüsterte sie.
Er drückte sie kurz an sich, wandte sich ab und stieg in den Zug. Durch das verschmutzte Fenster sah sie ihn winken. Er wirkte seltsam düster.
Kiloran stand noch lange auf dem Bahnsteig und blickte dem davonfahrenden Zug nach.
14. KAPITEL
Am Abend nach Adams Abreise wanderte Kiloran wie verloren durch das große Haus. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, etwas Sinnvolles zu tun. Als dann das Telefon läutete, pochte ihr Herz wie wild.
Sie nahm den Hörer ab. „Hallo?“
„Kiloran?“
„Oh, Adam!“ Erst daran, dass sie so erleichtert war, merkte sie, wie sehr sie gefürchtet hatte, er würde sich nie wieder melden. Andererseits hätte es bedeutet, dass es ihm an Mut mangelte. Doch Mut besaß er wahrhaftig genug. „Geht es dir gut?“
Gut? Adam blickte sich in dem Luxusapartment um, das sein Zuhause war. Hier fühlte er sich überhaupt nicht heimisch. Die Räume ähnelten einer exklusiv eingerichteten Hotelsuite. Das Gefühl beruhte auf mehr als der Tatsache, dass ihm die Wohnung nicht gehörte. Nein, es kam eher daher, dass überhaupt keine persönlichen Gegenstände herumlagen. Nicht ein einziges Foto war zu sehen. Keine Schnappschüsse, Urlaubserinnerungen oder andere Kleinigkeiten, die dem Apartment einen persönlichen Stempel aufgedrückt hätten. Andererseits, von wem hätte er einen Schnappschuss besitzen sollen? Von seiner Mutter vielleicht? Er wusste ja nicht einmal, ob sie noch lebte. Keine seiner Freundinnen hatte ihm je genug bedeutet, dass er ihr Foto hätte einrahmen und aufstellen mögen.
„Ja, alles okay“, antwortete er schließlich müde.
„Du hörst dich nicht so an, als wäre alles okay.“
Was erwartete Kiloran denn? „Ich bin ziemlich erschöpft.“
„Ach, und du hast sicher gar nichts zu essen im Haus!“
„Kiloran, ich bin erwachsen und in der Lage, selbst für mich zu sorgen“, erinnerte er sie.
Kiloran fragte sich, ob sie sich dadurch, dass sie Adam gepflegt hatte, jede Hoffnung auf ihn verscherzt hatte. Denn für einen Mann wie ihn war es möglicherweise schwierig, von einer Frau abhängig gewesen zu sein. Vielleicht fühlte er sich in seiner Männlichkeit bedroht? Sie hatte ihn verletzlich und schwach erlebt. Würde er ihr aus dem Weg gehen wollen, weil sie ihn daran erinnerte, wie schutzlos er gewesen war?
„Ich bin jedenfalls froh, dass du heil zu Hause angekommen bist“, meinte sie vorsichtig.
„Ja.“ Mehr gab es anscheinend nicht zu sagen. Adam spürte, wie eine überwältigende Traurigkeit ihn überkam. „Ich melde mich wieder.“
Schnell sagte Kiloran: „Fühl dich zu nichts verpflichtet, Adam! Ruf nur an, wenn du wirklich willst!“
„Okay“, antwortete er nachdenklich. Sie war intelligent genug, um zu wissen, dass ihnen eine Reihe Anrufe, in denen sie nur oberflächliche Gespräche führten, nichts nützen würde. „Pass auf dich auf, Kiloran!“
„Und du auf dich.“
Sie legten auf.
Diesmal bezweifelte Kiloran ernstlich, dass Adam sein Versprechen halten würde. Am nächsten Tag würde er bestimmt nicht anrufen. Am übernächsten sicher auch nicht. Nein, erst, wenn er dazu bereit war. Und dann? Würde er ihr als Nächstes mitteilen, dass es zwischen
Weitere Kostenlose Bücher