Ein neuer Anfang?
„Ich sitze bei Kaffee und Toast mit Honig. Von wo rufst du denn an?“
„Von deiner Einfahrt. Mit dem Handy.“
Und sie war noch im Morgenmantel! „Vielen Dank, dass du dich zumindest vorher angemeldet hast!“
„In zwei Minuten bin ich bei dir.“
Kiloran legte auf und eilte ins Bad, um sich wenigstens zu kämmen. Dann wusch sie sich Gesicht und Hände und sah in den Spiegel. Ohne Make-up wirkte sie so verletzlich, wie sie sich fühlte. Sie zupfte den Morgenmantel zurecht und knotete den Gürtel fest zu. Der Mantel war aus grünem Satin, über und über mit farbenprächtigen Paradiesvögeln bestickt und reichte ihr bis gerade über die Knie. Ein Sommerkleid hätte mehr Haut gezeigt, aber da sie unter dem Mantel nackt war, fühlte sie sich trotzdem ungeschützt.
Dann hörte sie seinen Wagen. Sie ging langsam zur Haustür und öffnete sie genau in dem Moment, als Adam die Hand hob, um auf die Klingel zu drücken. Eine ganze Weile standen sie sich schweigend gegenüber und sahen sich an.
Kilorans letzte, schwache Erinnerung an den schwer kranken Mann löste sich in nichts auf. Der Mann, der hier vor ihr stand, sah alles andere als krank aus, geschweige denn schwach.
Adam war wieder da, vollständig genesen, vital, sehr männlich und überwältigend attraktiv. Auf den ersten Blick wirkte er genauso, wie Kiloran ihn in Erinnerung hatte. Und doch anders. Vielleicht lag es daran, dass sie eine Zeit mit ihm erlebt hatte, als sie ihn berühren und hingebungsvoll pflegen durfte, während er nun wieder unberührbar wirkte. Sie hätte ihn gern geküsst, aber das war genauso unmöglich, wie ihm einfach die Tür vor der Nase zuzumachen.
„Hallo, Adam!“ begrüßte sie ihn und war selbst überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang, während ihre Gedanken rasten.
Er hatte erwartet, dass er sich fehl am Platz fühlen würde, wenn er hierher zurückkehrte, und behielt Recht. In dem bestickten Morgenmantel und mit offenem Haar sah Kiloran aus wie eine kostbare exotische Blüte. Der weiche Morgenmantel lag eng an, so dass ihre schlanke Gestalt, die vollen Brüste und die schmale Taille zur Geltung kamen.
Adam erinnerte sich daran, wie er einmal den Kopf auf ihren Bauch gelegt hatte, als er krank gewesen war und sich hatte ausruhen wollen. Es war erotischer gewesen als der Liebesakt. Jetzt kam es ihm so vor, als hätte er all dies in einem anderen Leben erlebt.
„Hallo, Kiloran.“
„Du siehst gut aus! Wirklich gut. Als hättest du dich wieder ganz erholt.“
„Ja, so fühle ich mich auch.“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Willst du mich nicht hereinbitten?“
„Doch, natürlich!“ Kiloran machte die Tür weit auf und ging voraus. Dass Adam überhaupt hatte fragen müssen, zeigte, welch ein großer Abstand zwischen ihnen entstanden war. Dass er sie weder berührt noch geküsst hatte, vertiefte den Eindruck. Seiner kühlen, wie abwesend wirkenden Miene nach zu urteilen, wollte er daran auch nichts ändern. „Wohin?“ fragte sie unsicher.
Adam überlegte, wie Kiloran wohl reagieren würde, wenn er das Schlafzimmer vorschlug. Aber obwohl das Bett nicht ganz an letzter Stelle rangierte, war er diesmal aus einem anderen Grund gekommen. „Ist es warm genug, dass man draußen sitzen kann?“
„Ich denke, ja. Soll ich frischen Kaffee machen und ihn auf die Terrasse bringen?“
Er wollte kein Höflichkeitsritual. An Kaffee lag ihm auch nichts. „Nur wenn du selbst unbedingt welchen möchtest. Ich habe keinen Durst.“
„Ich auch nicht.“
Er hatte ganz vergessen, wie schön der Garten war und wie schnell er sich in dieser ländlichen Idylle entspannen konnte. Verträumt blickte er in die Ferne und empfand wieder den Frieden und die Gelassenheit, die er erst hier gefunden hatte.
„Und was hast du in der Zwischenzeit gemacht?“ fragte Kiloran.
„Mich beim Arzt durchchecken lassen. Ich bin wieder ganz gesund.“
Sie sah ihn an. Adam wirkte kräftig und durchtrainiert. Die sanfte Sommerbrise hatte das schwarze Haar leicht zerzaust. Dass du wieder okay bist, hätte ich dir auch so sagen können, dachte sie. Dazu brauchte es wirklich keinen Arzt!
„Das freut mich für dich, Adam.“
„Hm. Außerdem habe ich mir einen neuen beruflichen Schwerpunkt gesucht.“ Er sah sie an. „Ich arbeite jetzt hauptsächlich als Berater und als Lehrer.“
Kiloran war verblüfft. „Du unterrichtest? In der Schule?“
Adam lächelte. „Nicht ganz. Ich arbeite daran mit, eine Berufsschule für Kinder aus benachteiligten
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