Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
werden.«
Zitat eines Pilgers
6 Peregrino, Peregrino
Ein klarer Morgen empfing mich mit einem strahlend blauen Himmel. Ich liebte diese Momente des Aufbruchs, die stets einen Neubeginn in sich trugen. Vogelgezwitscher und das Brausen des Windes begleiteten mich über einen Pfad nach Puente la Reina. Weil ich nun mehr Vertrauen verspürte, und keinerlei Zweifel mehr hegte, am Abend ein Bett zu bekommen, hatte ich das Gefühl, noch mehr Zeit zu haben. Ich betrat ein kleines Café und gönnte mir ein Frühstück. Anschließend besichtigte ich Puente la Reina und führte ein Telefonat mit meinen Eltern.
An der Santiagokirche vorbei führte mich mein Weg zur berühmten Brücke, der Puente la Reina seinen Namen zu verdanken hat. Sie wurde im 11. Jh. im Auftrage der Königin von Navarra erbaut, um den Pilgern die Überquerung des Flusses Arga zu erleichtern. Respektvoll betrat ich die Brücke, die bereits unzählige Pilger vor mir in den letzten Jahrhunderten benutzt hatten. In Puente la Reina ist deutlich die mittelalterliche Pilgerstraße zu erkennen, um die sich die weiteren Orte des Jakobsweges gebildet haben.
Nach zwei Kilometern verlief der Weg halbrechts auf einen kleinen Pfad, der steil anstieg. Von einer Anhöhe aus erblickte ich Bernd und Yajaira, die mir mit ihren Wanderstöcken zuwinkten. Kurz verschnaufte ich und ging dann parallel zur Nationalstraße weiter. Als ich die Ausbaumaßnahmen der Straße in ihrem ganzen Ausmaß sah, war ich bestürzt. Die einzigartige Natur wird hier für immer zerstört. Wo vor kurzem noch Bäume und die verschiedenartigsten Pflanzen wuchsen, lagen nun Betonplatten. Hoffentlich werden die Menschen irgendwann wieder klug, dachte ich. An einer Quelle füllte ich meine Wasserflaschen auf und wartete auf Bernd und Yajaira, die wenige Minuten später vor mir standen. Während auch sie ihre Wasservorräte auffüllten, sprachen wir über die fatalen Eingriffe, die der Straßenbau hier verursachte.
Es war angenehm warm, ideal zum Gehen. Uralte Weinstöcke und Olivenbäume in einer Bilderbuchlandschaft luden Bernd, einen guten Fotografen, immer wieder dazu ein, seine Fotosammlung zu bereichern. Wir wanderten über Feldwege, die mal breit, mal schmal verliefen. Ich liebte die kleinen Ortschaften sowie die Einheimischen, die uns Pilgern freundlich und liebenswürdig begegneten. Die gelben Pfeile leiteten uns über eine alte gepflasterte Römerstraße. Das waren immer wieder Höhepunkte auf dem Jakobsweg. Da gab er etwas von seiner alten Seele preis, erzählte aus vergangenen Zeiten. Erzählte von unzähligen Pilgern, die seine Spiritualität mitgeprägt haben.
Bernd ritzte hin und wieder auf großen markanten Steinen »Buen camino, Hansi«, oder »Hallo Hansi, alles Gute« ein. Die Botschaften erfreuten mich und drückten gleichzeitig die Beliebtheit ihres Freundes aus. Ich mochte Hansi, obwohl ich ihn nicht kannte. Die Sonne gab ihr Bestes und machte uns zu schaffen. Unter einer schattigen Brücke legten wir eine Rast ein. Während Bernd aus Steinen und umherliegenden Brettern Stühle und einen Tisch bastelte, tauschte ich mein verschwitztes Hemd gegen ein trockenes. Jeder legte von seinen Speisen, die er in seinem Rucksack hatte, auf den Tisch. Bernd und Yajaira trugen schnell trocknende Wanderbekleidung und Unterwäsche. Diese Materialien waren einfach klasse. Es sind die kleinen Dinge, die den Pilgern das Leben erleichtern.
Mit Sicherheitsnadeln befestigte ich, bevor wir aufbrachen, mein nasses Hemd zum Trocknen an meinem Rucksack. Eine mittelalterliche Brücke gewährte uns Geleit über den Fluss Salado. Es folgte ein holpriger, steiniger Weg, der all unsere Aufmerksamkeit erforderte. Auf dem Dorfplatz in Lorca entdeckten wir Yvonne und Lotti auf einer Bank im Schatten, neben einem Brunnen. Wir freuten uns aufrichtig, die Schweizerinnen wiederzusehen, und füllten unsere Wasservorräte auf. Nachdem ich mich mit dem kühlen Nass erfrischt hatte, setzte ich mich zu den beiden. Bernd und Yajaira zogen ihres Weges.
Lotti erzählte mir auf ihre wunderbare langsame Art, dass sie in einer Privatherberge Quartier bezogen hätten und dort noch Betten frei wären. Daraufhin entschloss ich mich, an diesem Tage meine Wandertätigkeit einzustellen. Meine Füße dankten es mir. Auf dem Weg zur Herberge stellte ich freudig fest, dass mein Knie absolut keine Probleme mehr bereitete. Conni hatte Recht behalten. »Der Weg hat eine heilende Wirkung, auf was auch immer.« In der Bar, die
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