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Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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freilich, stärker als ein Maiskolben und dreimal so lang. Ein fantastischer Riesenweizen war hier im Wachsen und Werden, darüber konnte kein Zweifel mehr bestehen. Aber wie war das Ganze überhaupt zustande gekommen?
    Die Neugierigen steckten sich hinter die Wirtschafter und Knechte von Rexow und begannen zu spionieren. Düngung? Eine außergewöhnlich reichliche Kunstdüngung, etwa das Dreifache der sonst üblichen Gaben, besonders an Stickstoff. Die Saat? Sicherlich ein sehr guter Saatweizen, aber doch die gleiche Saat, die auch auf tausend anderen Feldern zur Verwendung kam und dort nur Halme und Ähren gewöhnlicher Größe hervorbrachte. Nur die eine Lösung für das Rätsel gab es: Jene geheimnisvollen Scheinwerfer, die noch niemand leuchten sah, mußten die Ursache dieses Riesenwuches sein.
    Aber hatte das Ganze irgendwelchen Zweck, würden die Unkosten für diese elektrische Anlage nicht jeden Mehrertrag bei der Ernte zehnmal aufwiegen?
    Während sich die Nachbarn noch die Köpfe darüber zerbrachen, war die Zeit der Ernte schon herangekommen. Schwere Arbeit für die Schnitter gab es. Mit den gewöhnlichen Kornsensen war gegen diese Pflanzenschäfte, die, völlig verholzt, mehr an Bambusrohr als an Weizenhalme erinnerten, nichts auszurichten. Schon bei den ersten Hieben wurden die Klingen stumpf und schartig. Auch die Mähmaschine versagte. Mit Faschinenmessern mußten die Schnitter an die Ernte gehen und die Halme wie junge Baumstämme niederschlagen. Mit Flegeln mußten die Ähren nach der Urväterweise auf der Tenne ausgedroschen werden, weil die Dreschmaschinen dieses Strohes nicht Herr zu werden vermochten und die Schlagtrommeln an den mit Kieselkristallen durchsetzten eisenhaften Halmen einfach zerbrachen.
    Von Hand also wurde der Ausdrusch vollendet. Dann stand die Körnerfrucht dieses ersten großen Versuchsfeldes in Säcken gescheffelt und gebeutelt da, und zusammen mit Doktor Reuter und Professor Olearius errechnete der Domänenrat das wirtschaftliche Ergebnis. Die Unkosten betrugen auf der einen Seite: Dreifache Düngung und die Amortisations- und Betriebskosten der Strahlungsanlage. Als Gewinn ergab sich auf der anderen Seite: Dem Körnergewicht nach das Fünffache einer Durchschnittsernte, dazu eine beträchtliche Ersparnis an Saatgut. Die geernteten Körner selbst schwankten zwischen der Größe einer Haselnuß und einer Pflaume und enthielten, wie Schnittproben zeigten, in der dünnen Kleberhülle duftige, aromatische Weizenstärke.
    Ein großer, ein zweifelloser Erfolg war dieser erste Versuch. Eine weitere Aufgabe war noch das Ausmahlen der Riesenkörner. Die Mühle, die es übernahm, mußte besondere Vorkehrungen treffen, den Abstand ihrer Steine so zu vergrößern, daß er zu dem Durchmesser dieser Körner paßte. Doch dann ging auch das. Sauber wurde im ersten Mahlgang die Kleie von den Körnern geschält, und schlohweißes Mehl lief bei den weiteren Gängen in die Beutel.
    Dann stand das erste Brot, das aus diesem Mehl gebacken war, auf dem Tisch, und alle, die es versuchten, fanden es vorzüglich. Nun konnte man den endgültigen Erfolg übersehen: Durch eine systematische Anwendung der Wachstumstrahlung lassen sich die Kornfruchterträge der deutschen Landwirtschaft verfünffachen, und den Landwirten selbst bleibt dabei auch nach dem Abzug aller Unkosten noch ein reichlicher Gewinn. Das war das Ergebnis, daß schnell bekannt wurde und sich in den kommenden Jahren praktisch auszuwirken begann.

3
    Jahrzehnte waren verstrichen; die Wachstumstrahlen waren in dieser Zeit Allgemeingut aller landwirtschaftlichen Betriebe geworden. Wo immer sich Kornfelder dehnten, da waren auch jene mächtigen Scheinwerferanlagen zu sehen, die, von den Überlandnetzen mit elektrischer Kraft gespeist, der Saat die nutzbringende Strahlung zuführten. Nur bei den Feldfrüchten, die sich im Dunkel der Erde selbst bilden, bei Kartoffeln und Rüben aller Art, versagte die Erfindung noch, weil das Erdreich für die ultraviolette Strahlung ebenso undurchdringlich ist wie für das sichtbare Licht.
    Im Herrenhaus von Rexow saßen Arnoldi und Doktor Reuter mit Professor Olearius zusammen. Nicht spurlos waren die Jahre an ihnen vorübergegangen. Schneeweiß war das Haar des Professors geworden, vom Alter gebeugt seine Gestalt. Aber in unverändertem Glanz strahlten seine Augen, die in einem langen Leben so viel gesehen, erforscht und entdeckt hatten.
    »Nun zum letzten!« hub er an. »Andere werden vollenden müssen,

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