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Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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gesehen hatten, das spielte sich hier in Wirklichkeit vor ihren Blicken ab. Sich hin und her windende, sich hoch und immer höher aufrichtende züngelnde Schlangen schienen diese Erbsenkeime geworden zu sein. In wenigen Minuten vollzog sich der Keimvorgang, der sonst wohl drei Tage beansprucht hätte. Schon waren aus den Keimen kleine Ranken geworden, die sich um Stäbe emporwanden, Blätter trieben und Blütenknospen ansetzten.
    Das Yoghiwunder der in wenigen Minuten aus einem Samenkorn sprießenden, wachsenden und blühenden Pflanze vollzog sich vor ihren Augen. Hoch aufgerichtet stand Olearius, das schneeige Haar, das bleiche Gesicht vom Gold der sinkenden Sonne überstrahlt, jetzt selber beinahe einem jener indischen Zauberer gleichend, deren Kunst die tausendjährigen Gesetze der Natur ins Wanken zu bringen vermag.
    Lautlos standen die drei und blickten auf den wundersamen Vorgang, der sich hier vor ihren Augen abspielte. Schon flockte weiße Blütenpracht wie Schnee um die grünenden Ranken, schon glitt leises Welken über die Blüten, da riß Olearius plötzlich den Schalter herum und unterbrach den Strom.
    »Warum das? Warum die Unterbrechung?« fragten die anderen.
    »Weil es nicht weitergeht, oder wenn es weitergeht, dann ist es nicht mehr schön anzusehen.«
    »Wieso? Weshalb? Warum?« schwirrte es durch den Raum.
    »Warum? Das kann ich Ihnen nicht sagen. Weshalb? Ich weiß es selbst noch nicht. Aber …«
    »Aber so lassen Sie uns doch sehen, was weiter geschieht!«
    »Wenn Sie durchaus wollen, dann meinetwegen.«
    Der Professor drückte den Schalthebel wieder zurück, und brodelnd ließ der Strom das Quecksilber der Lampe aufkochen. Leben schien wieder in den blühenden Erbsenbusch zu kommen. Die Fruchtböden reckten sich, grüne Spitzen, die ersten Anfänge der jungen, sich bildenden Schoten schossen zwischen den vergilbenden Blütenblättern hervor, wollten wachsen und blieben doch plötzlich wie gehemmt in der Entwicklung stecken.
    Dann ging es wie ein Erzittern und Sterben durch das Gerank. Schlaff wurden die eben noch strotzenden Stengel, welk und gelb die saftgrünen Blätter. Eben noch gelb, jetzt schon schwarz und ganz verdorrt. Zusehends schrumpfte alles zusammen. Wenige Minuten, und nur noch unansehnliches, dunkles Gestrüpp, wie man es wohl nach einem harten, schneereichen Winter auf einem Erbsenfeld finden mag, hing an den Stäben. Mit einem Seufzer ließ sich Professor Olearius in seinen Sessel fallen.
    »Sie haben gesehen, was mir gelang, haben auch gesehen, wo meine Kunst bisher noch scheitert. Sicher, vollkommen sicher und außer allem Zweifel für mich ist die Tatsache, daß man durch eine geeignete Strahlung das Wachstum nicht nur vergrößern, sondern auch ganz bedeutend beschleunigen kann. Ich weiß nicht, ob es zehntausend oder hunderttausend Versuche waren, die ich in den letzten zwanzig Jahren angestellt habe, um die richtige Strahlung, die richtige Bemessung dieser Strahlung zu finden. Die geeignete Wellenlänge habe ich entdeckt; das haben Sie hier gesehen. Aber die Bemessung – wie immer ich’s auch anstellte, stets scheiterten meine Versuche, wenn die Entwicklung bis zum Beginn der Fruchtbildung vorgeschritten war.
    Hätten wir diese Erbsen hier, als ich vorhin den Strom unterbrach, sich selber überlassen, so würden Sie einige Tage gekränkelt haben, dann aber doch zur natürlichen Fruchtbildung gekommen sein. Die weitere Anwendung der Strahlung hat sie – ich wußte ja vorher, daß es so kommen mußte – zu schnellem Welken und Sterben gebracht.«
    Für kurze Zeit schien der Gelehrte zusammenzusinken. Mit Gewalt raffte er sich zusammen und wurde der Schwäche Herr. Danach sprach er erst stockend, dann flüssiger weiter: »Ich hinterlasse meinen Nachfolgern noch ein schweres Stück Arbeit. Der Gedanke, der mir vorschwebte – Sie werden ihn begreifen, noch bevor ich ihn ausgesprochen habe –, ist, die Entwicklungszeit durch geeignete Strahlung so abzukürzen, daß wir in einem Jahr in Deutschland zwei Ernten haben können. Was das für unser Volk, für die Lebensmöglichkeiten innerhalb unserer Grenzen bedeutet – ich brauche es wohl nicht auseinanderzusetzen.
    Die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen – ich wüßte keinen zwingenden Grund dagegen. Haben wir nicht in anderen, unter einer gesegneteren Sonne liegenden Ländern zwei, ja sogar drei Kornernten im Laufe eines Jahres? Sollte es uns wirklich unmöglich sein, das, was die Natur dort freiwillig gibt, in

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