Ein neues Paradies
Unendlichkeit weiterwachsen. In der Tat gibt es hier eine Grenze. Der alte Satz, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, besteht auch heute noch zu Recht. Immerhin aber ist es der Wissenschaft gelungen, die Wachstumskurven von Pflanzen durch die Anwendung einer künstlichen ultravioletten Bestrahlung doch ganz wesentlich zu verändern.
Durch systematische Untersuchungen, die ich während der letzten zehn Jahre ausführte, fand ich meine erste Vermutung bestätigt, daß während des Ausreifens einer Pflanze oder Frucht die wachstumfördernde Strahlung immer schwächer, die wachstumhindernde immer stärker wird, so daß das Wachstum aufhört, sobald die Früchte oder Pflanzenteile eine gewisse Größe erreicht haben. Daß diese Größe an sich nicht ein für allemal festliegt, sondern auch durch andere Umstände, beispielsweise durch eine gute Bodendüngung und kräftige Sonnenbestrahlung innerhalb gewisser Grenzen veränderlich ist, werden die praktischen Landwirte unter Ihnen, meine Herren, selbst zur Genüge wissen. Für mich war die Frage zu untersuchen, ob man sie auch durch Bestrahlung der Organismen mittels ultravioletten Lichtes von den genannten günstigen Wellenlängen nach oben verschieben könne. Wie ich Ihnen bereits sagte, ist die natürliche Strahlung der wachsenden Organismen sehr schwach; sie vermag eine fotografische Platte erst im Laufe von vierundzwanzig Stunden zu schwärzen. Aber in unseren Quarzlampen besitzen wir ja künstliche Lichtquellen, die eine millionenfach stärkere ultraviolette Strahlung aussenden, eine fotografische Platte schon im Bruchteil einer Sekunde schwärzen.
Mit solchen Lampen begann ich meine Arbeiten. Ich will gleich vorausschicken, daß mir Fehlschläge dabei nicht erspart geblieben sind. Es zeigte sich hier wie auf allen anderen Gebieten der Strahlungsforschung, daß es für den guten Erfolg auf eine genaue Bemessung der Strahlungsenergie ankommt. Bei meinen ersten Versuchen – ich bestrahlte die Blüten eines Birnbaumes, sobald die Befruchtung stattgefunden hatte, mit sehr starken Lampen – erzielte ich schon im Laufe der ersten Stunden ganz erstaunliche Wachstumserscheinungen. Die Früchte wuchsen buchstäblich zusehends, aber der hinkende Bote kam nach. Was hier unter dem Einfluß der übermächtigen Strahlung entstand, war eine krankhafte Wucherung, deren Riesenzellen sehr bald ebenso wie bei den Krebsgeschwülsten in Verfall und Zersetzung gerieten, den ganzen Organismus vergifteten und zu schnellem Absterben brachten.
Es hat viele Versuche gekostet, bis ich die richtige Dosierung fand. Dann aber, als ich sie hatte, kamen auch Erfolge, von denen Sie nun einige sehen sollen.«
Der Lichtbildapparat wurde ausgeschaltet, der Saal wieder beleuchtet. Auf einen Wink des Professors trat ein Diener hinzu und zog die Vorhänge hinter dem Rednerpult auseinander. Mit ungläubigen Augen blickten die Zuhörer auf das, was sie da sahen. Ausrufe des Staunens, der Verwunderung wurden laut.
»Na, Verehrtester, was sagen Sie nun?« Der Doktor stieß seinen Nachbar an.
»Unmöglich … unglaublich«, murmelte der vor sich hin, »so ungefähr muß wohl die Weintraube ausgesehen haben, die die beiden Boten dem Aaron aus dem Lande Kanaan zurückbrachten.«
Der Vergleich war in der Tat nicht unpassend gewählt. Hing doch dort unter den ausgestellten Früchten eine blaue Traube von reichlich einem Meter in der Länge und einem halben Meter in der Breite, deren einzelne Beeren die Größe normaler Äpfel aufwiesen. Daneben befanden sich Kern- und Steinfrüchte aller Größen, wie sie bisher keines Menschen Auge gesehen hatte. Auf das höchste interessiert, drängten sich die Zuhörer um diese Ausstellung und hielten mit ihrer Bewunderung, aber auch mit Zweifeln aller Art nicht zurück. Eine Weile ließ sie der Professor gewähren, dann ergriff er von neuem das Wort: »Meine Herren, ich entnehme aus Ihren Äußerungen, daß Sie Zweifel über die Güte dieser Früchte haben. Ich kann diese Zweifel auch recht gut verstehen, denn in der Tat werden ja Früchte, deren Wachstum man mit andern Mitteln und in viel geringerem Maße vergrößert hat, nur allzu leicht aromalos und unschmackhaft. Aber Sie sollen sich überzeugen, daß das bei meinen Züchtungen nicht der Fall ist.« Dabei winkte er den Dienern, die jetzt begannen, die Riesenfrüchte zu zerschneiden, einzelne Beeren der Traube abzupflücken und all das auf Teller verteilt in die Menge zu geben.
»Ich bitte die Herrschaften,
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