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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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fürchterliche Radau wieder an, diesmal sogar noch schlimmer als zuvor. Als ich zum Fenster hinausschaute, sah ich den Käfig des Wasserschweins im Mondschein zittern und beben.
    Wir gingen leise hinunter und näherten uns so vorsichtig, daß wir unbemerkt sehen konnten, was das Tier da trieb. Es saß mit einem geradezu höhnischen Gesichtsausdruck im Käfig, lehnte sich dann vor, schlug die großen gekrümmten Zähne in einige Drahtmaschen, zog mit aller Kraft daran und ließ das Gitter so plötzlich los, daß der ganze Käfig wie eine Harfe vibrierte. Es wartete, bis sich das Geräusch gelegt hatte, hob das fette Hinterteil und trampelte mit den Füßen auf der Blechschüssel herum, so daß sich ein Donnergetöse ergab. Es schien, als klatschte es seinen musikalischen Bemühungen Beifall. Wir merkten, daß es nicht zu entweichen versuchte, sondern diesen Unfug nur trieb, weil ihm die Geräusche gefielen, die es selbst hervorbrachte.
    Es kam gar nicht in Frage, ihm die Fortsetzung des Spektakels zu gestatten; denn über kurz oder lang mußten sich die andern Gäste der Pension beschweren. Deshalb wurde die Blechschüssel entfernt und die Vorderseite des Käfigs mit Sackleinwand verhängt; wir hofften nämlich, daß sich das Wasserschwein dadurch beruhigen und sich schlafen legen würde. In diesem Glauben gingen wir wieder zu Bett.
    Kaum hatte ich mich behaglich hingelegt, da hob das gräßliche Schwirrgeräusch zu meinem Entsetzen von neuem im Garten an. Mir fiel kein rettender Gedanke ein, wie man dem Wasserschwein Einhalt gebieten könnte, und während mein Freund und ich noch hin und her redeten, erwachten mehrere Leute im Haus, klopften bei mir an und berichteten, eins der Tiere wolle entweichen und mache dabei einen solchen Lärm, daß sie geweckt worden seien. Ich entschuldigte mich bei ihnen überschwenglich und überlegte dabei im Stillen, was wir nur tun könnten, um dem vertrackten Nagetier das Handwerk zu legen.
    Mein Freund hatte endlich einen Gedankenblitz. Er schlug vor, das Wasserschwein mitsamt Käfig und allem zum Naturhistorischen Museum zu bringen, das nicht weit entfernt war, und dessen Kurator wir gut kannten. Dort sollte das Tier dem Nachtwächter anvertraut werden, und am Morgen könnten wir es zurückholen.
    Wir zogen uns über den Pyjama einen Anzug an, gingen abermals in den Garten hinunter, schlichen zu dem langen, sargförmigen Käfig, den wir in Sackleinwand hüllten, und brachen auf.
    Das Wasserschwein ärgerte sich sehr über die Störung seines Privatkonzerts und zeigte seine Mißbilligung, indem es vom einen Ende zum andern rannte, so daß der Käfig auf und ab wippte. Der Weg zum Museum war nur kurz, aber die Possen des Wasserschweins zwangen uns, mehrmals haltzumachen und auszuruhen.
    Wir bogen um die letzte Ecke zum Museumstor und liefen einem Polizisten in die Arme. Es ist außerordentlich schwer, einem Polizisten zu erklären, warum man um ein Uhr nachts ein großes Nagetier in einem Käfig durch die Straßen der Stadt trägt, zumal wenn man sich in aller Eile angekleidet hat und Pyjamazipfel aus dem Anzug hervorhängen. Zuerst hielt uns der Polizist wohl für Einbrecher, die gerade von einem Raubzug in einem nahegelegenen Haus zurückkehrten; dann verdächtigte er uns, Mörder zu sein, die den Leichnam ihres Opfers in dieser sargförmigen Kiste trugen. Unsere Geschichte von dem Wasserschwein fand er offensichtlich kaum glaubhaft, und erst als wir die Leinwandsäcke abnahmen und ihm das Tier zeigten, merkte er, daß wir die Wahrheit sprachen.
    Hierauf wurde er sehr liebenswürdig und half uns sogar den Käfig zum Museumstor tragen. Dort standen wir drei dann und riefen nach dem Nachtwächter, während unser Gefangener zu unserer Beruhigung auf dem Drahtgitter eine kleine Melodie spielte. Unsere Rufe verhallten jedoch ungehört, und es wurde bald offenbar, daß der Nachtwächter, wo er sich auch aufhalten mochte, das Museum gewiß nicht bewachte.
    Nach gründlichem Nachdenken machte der Polizist den Vorschlag, das Wasserschwein zum städtischen Schlachthaus zu bringen, wo es bestimmt einen Nachtwächter gäbe, der das Tier wahrscheinlich bis zum Morgen hüten würde.
    Auf dem Wege zum Schlachthaus kamen wir ohnehin an unserer Pension vorbei; deshalb war ich dafür, das Tier und seinen Käfig im Garten abzusetzen, bis wir uns überzeugt hatten, ob man ihm im Schlachthaus Obdach gewähren würde. Da es ein ziemlich weiter Weg war, fand ich es unvernünftig, die schwere Last dorthin

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