Ein Noah von heute
zu schleppen, nur um dann zu erfahren, daß man sie uns nicht abnehmen wollte.
Also ließen wir das Wasserschwein zurück, das immer noch am Gitter seines Käfigs Liedchen erfand, und lenkten unsere Schritte verschlafen durch die leeren Straßen. Nachdem wir uns ein paarmal verirrt hatten, fanden wir das Schlachthaus endlich, und zu unserer Freude war oben ein Fenster erhellt. Wir warfen Steine hinauf und riefen, bis ein sehr alter Neger den Kopf herausstreckte und sich nach unseren Wünschen erkundigte.
Ich fragte ihn, ob es ihm möglich wäre, ein Wasserschwein eine Nacht zu beherbergen; aber er hielt uns beide offensichtlich für übergeschnappt, besonders als wir sagten, wir hätten das Tier nicht mitgebracht, sondern würden es holen, wenn er es aufnehmen könnte. Dann wollte er wissen, was ein Wasserschwein eigentlich sei, und als ich ihm auseinandersetzte, daß es ein großes Nagetier sei, machte der Alte ein sehr besorgtes Gesicht und schüttelte den Kopf.
«Das hier ist ein Schlachthaus», sagte er. «Das Schlachthaus ist für Vieh. Ich glaube nicht, daß Nagetiere hier erlaubt sind.»
Zum Schluß aber gelang es mir, ihn zu überzeugen, daß Wasserschweine ganz ähnlich wie Kühe und Ochsen wären, nur kleiner, und daß es dem Schlachthaus nicht im geringsten schaden würde, das Geschöpf für eine Nacht aufzunehmen.
Als die Abmachung glücklich getroffen war, kehrten wir zu unserer Pension zurück, um das Tier zu holen. Dort war der mondbeleuchtete Garten still und heiter, und als wir in den Käfig spähten, sahen wir den Sünder zusammengerollt im Winkel liegen; er schlief und schnarchte sanft vor sich hin. Also ließen wir ihn in Ruhe, und er schlummerte in dieser Nacht durch.
Am folgenden Morgen waren wir wie erschlagen von unseren nächtlichen Bemühungen, ein vorübergehendes Obdach für das Wasserschwein zu finden. Als wir hinunterkamen, konnten wir feststellen, daß das Wasserschwein sehr gut in Form und nicht im geringsten müde war.
In Guayana kommen die Beutelratten in mehreren Arten vor. Die Indianer haben diesen Tieren, die sich hauptsächlich dadurch auszeichnen, daß sie wie die Känguruhs ihre Jungen in einem Beutel tragen, den Namen Opossum gegeben. Die südamerikanischen Opossums sehen alle ähnlich wie Ratten mit langem, struppigem Fell und langem, nacktem Schwanz aus; in der Größe sind die einzelnen Arten allerdings verschieden, einige so groß wie Katzen, andere so klein wie die kleinsten Mäuse. Wie gesagt, sie sehen rattenähnlich aus, doch wenn man sie in den Bäumen herumklettern sieht, erkennt man, daß es in Wirklichkeit keine Ratten sind. Sie klettern so geschickt wie Affen, wobei sie Vorder- und Hinterpfoten benutzen; außerdem hilft ihnen ihr Schwanz, der sich schlangenartig um die Äste windet und als Greifschwanz solche Kraft entfalten kann, daß die Tiere, wenn sie mit den Pfoten den Halt verlieren, am Schwanz hängenbleiben können und so vor dem Sturz bewahrt werden.
Zu den reizendsten Beutelratten in Guayana gehört eine kleinere Art. Die Eingeborenen nennen das Opossum dort «Unbedacht», und diese besondere Art wird von ihnen als «Mondschein-Unbedacht» bezeichnet, weil sie angeblich nur bei Vollmond hervorkommt. Es waren wirklich sehr hübsche Tierchen mit kohlschwarzem Rücken, gelbem Bauch, rosa Füßen, Ohren und Schwanz; zwei dichte, helle Brauen saßen ihnen bananenförmig über den dunklen Augen. Sie waren ungefähr so groß wie eine gewöhnliche Ratte, nur hatten sie ein viel spitzeres Gesicht und einen viel längeren Schwanz.
Mein erster Mondschein-Unbedacht wurde mir von einem kleinen Indianerjungen gebracht, der ihn eines späten Abends in seinem Garten gefangen hatte. Als der Junge mit dem Tier kam, das an einer Schnur baumelte, war ich gerade im Begriff, jenes Dorf zu verlassen und zu unserem Basislager in Georgetown zurückzukehren. Das Fährboot, das mich flußabwärts mitnehmen sollte, wartete bereits, und ich hatte wirklich keinen Augenblick zu verlieren. Auf halbem Wege zur Anlegestelle fiel mir ein, daß ich an Bord der Fähre keinen Käfig für die kleine Beutelratte hatte. Ich beschloß, umzukehren und mir im Dorfladen eine Kiste zu holen, aus der ich während der Flußfahrt einen Käfig herstellen konnte. Mein Freund lief voraus, um die Fähre bis zu meiner Ankunft aufzuhalten, während ich mit dem gereizten Tierchen, das an seiner Schnur baumelte, wie toll zum Dorfladen rannte und den Verkäufer außer Atem bat, mir eine Kiste
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