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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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abzutreten.
    Er kippte einen ganzen Haufen Büchsen auf den Boden und reichte mir schweigend die Kiste, die all die Büchsen enthalten hatte. In aller Hast bedankte ich mich und raste mit der Kiste die Straße entlang. Der Indianerjunge, der mich begleitet hatte, nahm mir im Lauf die Kiste aus der Hand und trug sie geschickt auf dem Kopf. Es war sehr anstrengend, in der heißen Sonne die staubige Straße entlang zu laufen, und immer wenn ich stehenblieb, um Atem zu schöpfen, hörte ich das laute Blöken der Flußfähre, das mich anspornte, und ich gelangte gerade in dem Augenblick zur Anlegestelle, als die Besatzung die Geduld verloren hatte und Anstalten traf, den Laufsteg einzuziehen.
    Nachdem ich an Bord zu Atem gekommen war, machte ich mich daran, für meine Beutelratte einen Käfig herzustellen. Danach hatte ich die unangenehme Aufgabe, die Schnur um den Bauch des Tieres aufzuknüpfen. Inzwischen war es recht schlechter Laune geworden; es zischte mich an wie eine Schlange und schnappte wild nach meinen Fingern; aber es gelang mir, die Schnur durchzuschneiden. Dabei fiel mir eine merkwürdige wurstförmige Schwellung am Bauch zwischen seinen Hinterbeinen auf. Ich hielt es für möglich, daß das Tierchen eine innere Verletzung davongetragen hatte. Doch als ich diesen seltsamen Knoten behutsam abtastete, zerteilten meine Finger das Fell, und ich sah einen kleinen Beutel, in dem vier winzige zuckende rosa Junge lagen.
    Das war die Ursache der sonderbaren Schwellung, die ich für eine Verletzung gehalten hatte. Die Mutter war sehr entrüstet, daß ich ohne Erlaubnis in ihren Beutel schaute; sie quietschte laut und schnappte nach mir. Nachdem ich sie in den Käfig gesetzt hatte, richtete sie sich sofort auf den Hinterbeinen auf, öffnete ihren Beutel und vergewisserte sich, daß alle ihre Jungen da waren. Dann erst putzte sie sich das Fell und machte sich an die Früchte, die ich ihr hingelegt hatte.
    Als die vier Jungen größer waren, wurde es in dem kleinen Beutel ziemlich eng für sie, und es dauerte nicht lange, bis nur ein Junges jeweils Platz darin fand. Sie lagen nun in der Nähe ihrer Mutter auf dem Boden des Käfigs, aber wenn irgend etwas sie erschreckte, krabbelten sie auf die Füße und rannten um die Wette zur Mutter; denn sie wußten, daß derjenige, der zuerst dort anlangte, in den schützenden Beutel kriechen konnte, während alle andern draußen bleiben und der drohenden Gefahr entgegentreten mußten. Wenn die Mutter im Käfig umherlief, ließ sie alle Jungen auf ihren Rücken klettern, wo sie sich fest an ihr Fell anklammerten und den schlanken rosa Schwanz in liebevoller Umarmung um die Mutter ringelten.

Dreizehntes Kapitel

Fliegende, laufende und schwimmende Geschöpfe

    Während meines Aufenthalts in Guayana war ich sehr erpicht darauf, einige der wunderschönen Kolibri-Arten zu erhalten, die dort Vorkommen. Nach einiger Zeit lernte ich zufällig einen Jäger kennen, der sich besonders gut darauf verstand, diese winzigen Vögel zu fangen, und von da an brachte er mir alle vierzehn Tage einmal einen kleinen Käfig, in dem fünf bis sechs Kolibris so schnell ihre Flügel flattern ließen, daß es eher wie ein Käfig voller Bienen klang. Da man mir immer gesagt hatte, Kolibris seien außerordentlich schwer zu pflegen, lag mir das Wohl der ersten vier, die ich erwarb, sehr am Herzen.
    In der Freiheit ernähren sich die Kolibris entweder von Blumennektar oder von ganz kleinen Insekten; jedenfalls schwirren sie vor den Blüten und stecken den langen, feinen Schnabel hinein. In der Gefangenschaft mußte ihnen beigebracht werden, sich mit einer Mischung aus Wasser, Honig, Fleischextrakt und Kraftnahrung zu begnügen. Diese Mischung wurde in der tropischen Hitze sehr schnell sauer, und deshalb mußten die Kolibris dreimal am Tag gefüttert werden. Die eigentliche Aufgabe bestand darin, sie zu lehren, ihre Nahrung aus einem Glastöpfchen zu sich zu nehmen; denn sie waren es gewöhnt, sie von einer farbenprächtigen Blume zu beziehen, und so begriffen sie zuerst nicht, daß das Glas ihre Nahrung enthielt.
    Gleich nach der Ankunft holte ich jeden Kolibri sehr behutsam aus dem Käfig, hielt ihn in der Hand und tauchte seinen Schnabel immer wieder in ein Tröpfchen Honigwasser, bis er endlich die Zunge hinausstreckte, die Flüssigkeit kostete und sie dann gierig aufzusaugen begann. Nachdem er Geschmack daran gefunden hatte, tat ich ihn in seinen neuen Käfig und setzte ein Futterschüsselchen hinein. Dann

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