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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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war, so daß ich empfindlichere Tiere regelmäßig als Flugzeugfracht nach England schicken konnte. Die Tiere, denen eine Flugreise am wenigsten ausmacht, sind die Reptilien, und so packte ich ungefähr alle zwei Wochen eine gemischte Auswahl von Fröschen, Kröten, Schildkröten, Eidechsen und Schlangen in mehrere große Kisten und ließ sie zum Flugplatz fahren.
    Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Versand von Reptilien mit dem Flugzeug oder mit dem Schiff. Erstens einmal werden sie anders verpackt. Um zum Beispiel eine Sendung Schlangen auf dem Luftweg zu verschicken, braucht man eine große, leichte Holzkiste. Man steckt jede Schlange in einen Baumwollbeutel, den man oben fest verschnürt, und hängt ihn dann an einem Nagel an der Kistenwand auf. Auf diese Weise muß man sich nicht sorgen, daß die eine Schlangenart die andere auf fressen wird; denn alle sind voneinander getrennt und können doch in derselben Kiste untergebracht werden. Die Luftreise von Guayana dauerte ungefähr drei Tage, und während dieser Zeit benötigten die Schlangen nichts weiter als Wasser, da sie lange Zeit ohne Nahrung auskommen können; sie nehmen dabei gar keinen Schaden. Meine Schlangen wurden am Tag vor ihrer Abreise tüchtig gefüttert; sie lagen zusammengerollt im Baumwollbeutel und verdauten die Mahlzeit; wenn die Verdauung beendet war, hatten sie England schon erreicht. Frösche, Kröten und kleinere Echsen wurden ebenfalls in Beuteln versandt und dabei ungefähr die gleichen Regeln angewendet. Aber für die größeren Echsen, zum Beispiel für die grünen Leguane, waren besondere Kratten notwendig. In jeden setzten wir fünf bis sechs Leguane, und die Box wurde mit vielen Zweigen ausgestopft, so daß sie sich genügend festhalten konnten.
    Junge Kaimane ließen sich, wie ich feststellte, sehr gut auf dem Luftweg befördern, den größeren hingegen bekam es gar nicht, und abgesehen davon hatten sie in ihren Holzkratten ein derartiges Gewicht, daß die Frachtkosten ungeheuerlich waren; deshalb nahm ich die meisten großen Kaimane auf dem Dampfer mit.
    Der kleinste Kaiman, den ich in Guayana fing, war nur etwas über fünfzehn Zentimeter lang; er mußte erst vor kurzem ausgeschlüpft sein. Der größte maß über vier Meter und war nicht annähernd so leicht zu behandeln. Er wurde in einem großen Fluß in den nördlichen Savannen gefangen, einem Fluß, der von Zitteraalen und Kaimanen wimmelte. Ich hatte gehört, daß ein Zoologischer Garten in England einen besonders großen Kaiman wünschte; und diese Gegend schien mir geeignet zu sein. Gerade unter meinem Haus hatte der Fluß eine kleine Bucht ausgehöhlt; gegenüber, etwa hundertfünfzig Meter entfernt, lag eine Insel, wo sich die Kaimane mit Vorliebe aufhielten.
    Die Falle, die ich für den Fang benützte, war ganz primitiv, aber sehr wirksam; zwei lange, schwere Indianerkanus wurden so ans Ufer der Bucht gezogen, daß sie halb aus dem Wasser waren und ungefähr einen Meter Abstand voneinander hatten; in dem Zwischenraum hing eine Schlinge, die an einem biegsamen jungen Baum befestigt war. Hinter der Schlinge baumelte an dem gebogenen Stämmchen ein toter, sehr stark riechender Fisch. Um an den Fisch zu gelangen, mußte der Kaiman den Kopf durch die Schlinge stecken, und sowie er nach dem Fisch schnappte, schnellte der dünne gebogene Baumstamm in die Höhe, wobei sich die Schlinge um den Kaiman fest zuzog. Das andere Ende des Strickes war etwa einen Meter höher an einem großen, kräftigen Baum am Ufer festgemacht.
    Ich stellte meine Falle eines späten Abends, hielt es aber für sehr unwahrscheinlich, daß ich vor dem nächsten Tage etwas fangen würde.
    Ehe ich zu Bett ging, wollte ich sicherheitshalber doch noch einmal nachsehen, ob mit der Falle alles in Ordnung war, und da sich mein Freund zu mir gesellte, gingen wir zusammen durch den dunklen Wald zum Flußufer hinunter. Während wir uns der Stelle näherten, wo die Falle gesetzt worden war, hörten wir ein merkwürdiges Geräusch, ein dumpfes Klopfen, das wir uns nicht zu erklären vermochten. Beim Ufer angelangt, sahen wir sogleich die Ursache. Ein ungeheurer Kaiman war den Kanal zwischen den beiden Kanus hinaufgekrochen, hatte, wie gehofft, den Kopf durch die Schlinge gesteckt und an dem Fisch gezerrt, worauf sich das Seil um seinen Hals zugezogen hatte.

    Wir richteten den Schein unserer Lampen nach unten und sahen, wie sich das riesige Reptil planschend zwischen den beiden Kanus wand, die es bei

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