Ein Noah von heute
sanfteres Geschöpf könnte ich mir gar nicht wünschen.
Gerade zu dieser Zeit hatte ich eine beträchtliche Tierlieferung erhalten und war infolgedessen knapp an Käfigen. Doch da der Paka zahm war, band ich ihn einfach an einem nahen Baumstumpf fest. Ich setzte ihm Gemüse vor und dachte nicht mehr an ihn.
Als ich einige Zeit später die Käfigreihe abschritt und die Wasserschüsseln herausnahm, um sie zu säubern, hörte ich plötzlich ein Knurren, das einem Tiger zur Ehre gereicht hätte, und jählings warf sich etwas auf mein Bein und vergrub die Zähne in meinem Schienbein. Unnötig zu sagen, daß ich einen Luftsprung vollführte und alle Wasserschüsseln fallen ließ, die ich so sorgsam eingesammelt hatte. Natürlich war es der Paka, der mich angegriffen hatte — warum, konnte ich mir nicht vorstellen, da er ja bei seiner Ankunft ganz zahm gewirkt hatte.
Meine Hose war zerrissen, und mein Bein blutete. In der folgenden Woche war er ganz unzugänglich; wer sich ihm näherte, auf den stürzte er sich mit gebleckten Zähnen und wilden Grunzlauten. Ebenso plötzlich, wie seine üble Laune aufgeflammt war, und ebenso grundlos wurde er wieder ganz zahm, ließ sich hinter den Ohren kraulen und am Bauch kitzeln, während er auf der Seite lag.
In dieser Weise schwankte sein Benehmen die ganze Zeit, solange er bei mir war; wenn ich mich seinem Käfig näherte, konnte ich nie im voraus wissen, ob er mich mit Anzeichen der Liebe oder mit einem wilden Biß seiner großen, scharfen Zähne begrüßen würde.
Zu den außergewöhnlichsten Exemplaren, die mir während meines Aufenthaltes in Georgetown gebracht wurden, gehörte ein zehn bis zwölf Zentimeter langes Fischchen. Eine liebe alte Negerin kam eines Tages zu uns mit einem Blechtopf, in dem fünf Stück schwammen. Nachdem ich sie gekauft hatte, schüttete ich sie in eine Glasschale, worauf mir sogleich auffiel, daß sie irgendwie sonderbar waren, aber ein paar Sekunden lang wußte ich nicht, woran es lag. Dann merkte ich plötzlich, daß die Augen der Fische sehr seltsam aussahen. Ich nahm einen aus der Schale und tat ihn in ein Glas, um ihn besser untersuchen zu können, und da sah ich, was mir so rätselhaft erschienen war: Der Fisch hatte sozusagen vier Augen.
Die Augen waren groß und so gelagert, daß sie sich ähnlich wie bei einem Flußpferd oben auf dem Kopf vorwölbten. Jeder Augapfel war sauber zweigeteilt, ein Auge über dem anderen. Ich entdeckte, daß der Vieraugenfisch an der Oberfläche des Meeres zu schwimmen pflegt, so daß das eine Augenpaar abwärts blickt und achtgibt, ob etwa ein feindlicher großer Fisch einen Angriff verüben will, während das andere Augenpaar an der Oberfläche des Wassers nach Nahrung ausschaut, gleichzeitig auf der Hut vor fischfressenden Vögeln, die von oben angreifen könnten. Das war entschieden eine der erstaunlichsten Verteidigungsmittel, die ich jemals bei einem Tier gesehen hatte, und gewiß einer der außergewöhnlichsten Fische.
Guayana weist die verwunderlichsten Lebensformen auf. Dort kommt einer der sonderbarsten Vögel vor, das Schopfhuhn (Opisthocomus hoazin), in Guayana wegen seines starken Moschusgeruches Stinkende Anna genannt. Dieser seltsame Vogel hat am Flügel einen «Daumen», bewaffnet mit einer krummen Klaue. Das junge Schopfhuhn kann einige Stunden nach dem Ausschlüpfen aus dem Nest klettern und wie ein Affe in den Bäumen herumturnen, wobei es sich mit dem Daumen an den Zweigen festhält. Die Nester werden in Dornbüschen gebaut, die übers Wasser hangen, und wenn irgendeine Gefahr droht, finden die kaum ausgebrüteten Jungen gar nichts dabei, sich drei Meter tief ins Wasser fallen zu lassen, wo sie wie Fische schwimmen und tauchen. Wenn die Gefahr vorbei ist, benutzen sie ihre Daumen, um den Baum zu erklettern und ins Nest zurückzukehren. Das Schopfhuhn ist der einzige Vogel in der Welt, der dies vermag, und es ist ein geradezu gespenstischer Anblick, wenn die Jungen im Geäst schaukeln oder wie Männlein in gefiedertem Badekostüm ins Wasser plumpsen.
Vierzehntes Kapitel
Kaimane und Zitteraale
In vielerlei Hinsicht war es sehr vorteilhaft, meine Tiere in Georgetown zu halten; hier konnte ich mir die meisten notwendigen Nahrungsmittel für meinen Tiergarten beschaffen; außerdem fand sich häufig Gelegenheit, auf dem Markt einige neue schöne Exemplare zu finden, die Händler aus abseits gelegenen Gebieten gebracht hatten. Dazu kam, daß der Flughafen ziemlich leicht zu erreichen
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