Ein Ort für die Ewigkeit
Er kaute nervös auf der Nagelhaut seines Daumens. »Jetzt, wo sie in anderen Umständen ist und zugleich dieser Fall läuft, sind meine Nerven einfach total kaputt.« Er sprang auf und lief zum nächsten Fenster, starrte über den Platz zum Gericht hinüber und sagte: »Was soll ich tun, wenn sie für ›unschuldig‹ stimmen?«
»Sogar wenn er in der Mordsache ungeschoren davonkommt, werden sie ihn doch wegen der Vergewaltigung kriegen«, sagte Clough besonnen. »Sie werden nicht glauben, daß Sie diese Fotos gefälscht haben, egal, was Highsmith zu behaupten versuchte. Ich denke, im schlimmsten Fall kann es passieren, daß sie vielleicht zu dem Entschluß kommen, Sie hätten sich hinreißen lassen, als Sie die Bilder fanden, und beschlossen, Hawkin auch wegen Mordes zu belangen.«
»Aber Ruth Carter hat die Waffe gefunden, bevor ich die Bilder aufgespürt habe«, protestierte George und starrte Clough empört an.
»›Das sagen Sie‹, denken die Geschworenen vielleicht«, stellte Clough fest. »Hören Sie, was immer sie denken, sie werden, wenn sie in bezug auf die Vergewaltigung im Zweifel sind, nicht zu seinen Gunsten entscheiden. Na, Sie waren doch im Gericht, als sie diese Fotos gesehen haben. Da hat sich die Stimmung der Geschworenen gegen Hawkin gewendet. Glauben Sie mir, sie werden darauf brennen, eine Möglichkeit zu finden, ihn beider Delikte schuldig zu sprechen. Also, kommen Sie, Ihr Drink ist da. Setzen Sie sich, und hören Sie auf, sich zu sorgen. Sie machen mich nervös«, fügte er hinzu, aber sein Versuch, ihn aufzumuntern, mißlang.
George ging zum Tisch hinüber und nahm sein Glas, kehrte dann zum Fenster zurück, um still, ohne etwas zu sehen, den Druck eines viktorianischen Jagdmotivs in grellen, leuchtenden Farben anzustarren. »Wie lange ist es jetzt?« fragte er.
»Eine Stunde und siebenunddreißig Minuten«, antwortete Clough mit einem Blick auf seine Uhr. Plötzlich klingelte das Telefon in der Rezeption. George fuhr herum und starrte auf die junge Frau hinter dem Schreibtisch.
»Rezeption Hotel
Lamb and Flag
«, sagte sie gelangweilt. Sie schaute zu George hinüber. »Ja. Wie war Ihr Name?« Sie schwieg und starrte auf die Zimmerliste. »Mr. und Mrs. Duncan. Wann werden Sie ankommen?«
Mit einem frustrierten Seufzer wandte sich George wieder der Betrachtung des Gerichtsgebäudes zu. »Ich habe noch nie verstehen können, warum Geschworene soviel Zeit brauchen«, beklagte er sich. »Sie sollten einfach abstimmen und so entscheiden wie die Mehrheit. Warum muß es einstimmig sein? Wie viele Verbrecher gehen wohl unbehelligt aus dem Gerichtssaal, weil ein dickköpfiger Geschworener sich nicht überzeugen ließ? Es ist ja nicht so, als gehörten sie alle zur intellektuellen Elite der britischen Inseln, oder?«
»George, sie könnten stundenlang beraten. Sie könnten die ganze Nacht und den ganzen Tag morgen brauchen, warum setzen Sie sich also nicht hin, trinken etwas und rauchen Ihre Zigaretten? Andernfalls werden wir beide noch wegen zu hohen Blutdrucks in die Derby Royal Infirmary eingeliefert«, sagte Clough.
George seufzte tief und ging langsam zu seinem Sessel zurück. »Sie haben recht. Ich weiß, daß Sie recht haben. Ich bin einfach so nervös.«
Clough zog ein Kartenspiel aus der Jackentasche. »Spielen Sie Cribbage?«
»Wir haben kein Brett«, wandte George ein.
»Doreen?« rief Clough. »Können wir vielleicht das Cribbage-Brett von der Bar haben?«
Doreen verdrehte die Augen mit der weltweit üblichen, verächtlichen Geste »Männer!«, verschwand dann aber durch die hintere Tür des Empfangs. »Sie haben sie gut angelernt«, kommentierte George.
»Mach’s immer so, daß sie noch mehr wollen, das ist mein Motto.« Clough hob die Karten ab und teilte sie aus. Doreen kam zurück und schob das Brett zwischen sie. »Danke, Schätzchen.«
»Na, paß bloß auf, wen du Schätzchen nennst«, sagte sie mißbilligend und warf den Kopf zurück, während sie unsicher auf ihren zu hohen Stöckelschuhen hinter ihren Schreibtisch zurückstakste.
»Ich paß schon auf«, sagte Clough gerade laut genug, daß sie es hören konnte. Normalerweise hätte George das Geplänkel amüsiert, aber heute machte es ihn nur gereizt. Er gab sich Mühe, sich auf die Karten in seiner Hand zu konzentrieren, aber jedesmal, wenn das Telefon klingelte, sprang er wie von der Tarantel gestochen auf.
Sie spielten in angespanntem Schweigen, das nur unterbrochen wurde, wenn sie ihre gewonnenen Punkte
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