Ein Ort für die Ewigkeit
einen Wanderurlaub in der Gegend der Peaks gemietet. Eine ihrer Wanderungen führte sie von Denderdale am Scarlaston entlang nach Scardale hinauf. Es war heiß, sie waren nach ihrem Ausflug verschwitzt, riefen von der Telefonzelle auf der Dorfwiese ein Taxi und saßen dann wartend auf einer Mauer und redeten über ihre Kollegen in London. Catherine hatte Alison dabei nicht erwähnt, sie war seltsam abergläubisch, wenn es darum ging, mit Kollegen über diese Geschichte zu sprechen.
Es war ihr nicht eingefallen, daß sie die Person sein könnte, der es gelingen würde, George Bennett zu überreden, sein fünfunddreißigjähriges Schweigen zu brechen und über den Fall zu sprechen. Obwohl sie Alison Carter nie vergessen konnte, hatte sie keineswegs geplant, das maßgebende Buch über einen der interessantesten Fälle des Jahrhunderts zu schreiben.
Ganz bestimmt hatte sie nicht daran gedacht, als sie im Herbst des Vorjahres in Brüssel war. Aber nach Catherines Erfahrung waren die besten Storys sowieso nie diejenigen, nach denen man suchen mußte. Und für sie gab es keine Frage, daß dies die beste Story ihrer Karriere sein würde.
2
Oktober 1997 – Februar 1998
D er Regen strömte unablässig vom Himmel. Es wäre noch erträglich gewesen, wenn sie bequem und gemütlich in einem Café mit großen Fenstern zur Grand’ Place hin gesessen und sich die Hände an einem dampfenden Irish Coffee gewärmt hätte, voll diebischer Freude über die vorbeihastenden Gestalten, die mit ihren Schirmen gegen den Wind ankämpften. Aber an einem regnerischen Mittwoch nachmittag in einem Euro-Betonkasten mit der Aussicht auf andere Bürogebäude herumzuhängen, während sie darauf wartete, daß eine Kommissarin aus Schweden sich an ihre Verabredung erinnerte, war nicht das, was sich Catherine unter einer angenehmen Beschäftigung vorstellte. Es war ganz und gar nicht, was sie sich erhofft hatte, als sie ihre kleine Spritztour nach Euroland plante.
Obwohl Catherine Chefredakteurin für Reportagen bei einer monatlich erscheinenden Hochglanzzeitschrift für Frauen war, hatte sie doch nie die Lust verloren, Nachrichtenfeatures, mit denen sie ihren ersten Ruhm erworben hatte, selbst zu schreiben. Von Zeit zu Zeit entfloh sie gern dem Streß des alltäglichen Papierkrams und der kleinlichen Bürointrigen. Sie entschuldigte das mit dem Bedürfnis, weiterhin in Kontakt mit der kreativen Seite ihrer Arbeit und mit den sich verändernden Arbeitsumständen der Journalisten, denen sie Aufträge gab, zu bleiben. So plante sie hin und wieder eine Reportage, die ihr erlaubte, Recherchen, Interviews und das Abfassen des Artikels selbst zu übernehmen.
Sie hatte gedacht, es würde interessant sein, eine Serie von Interviews mit führenden Frauen in der EU zu machen. Sie hatte aber nicht mit der schwerfälligen Bürokratie und dem miesen Wetter gerechnet. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß die Meetings immer überzogen wurden und niemand jemals pünktlich zu den Interviews kam. Seufzend nahm Catherine den Hörer im Konferenzraum ab und rief ihren Betreuer, einen britischen Pressebeauftragten namens Paul Bennett an. Sie hatte erwartet, daß er gleichgültig und eher hochnäsig wie die meisten Pressevertreter der Regierung sein würde, aber sie war angenehm überrascht gewesen. Als sie erst einmal entdeckt hatten, daß sie beide in Derbyshire aufgewachsen waren, lief ihre Zusammenarbeit noch besser, und Paul hatte bis jetzt die meisten Pannen für sie ausgebügelt.
»Paul? Hier Catherine Heathcote. Sigrid Hammarqvist hat mich versetzt.«
»Ach, Mist«, sagte er ungehalten. »Können Sie einen Moment dranbleiben?«
Klassische Musik dröhnte ihr ins Ohr, die Geigen klangen wie wütende Moskitos. Catherine wünschte manchmal, sie könnte ein klassisches Stück vom anderen unterscheiden, aber sie bezweifelte, daß ihr das gerade jetzt viel geholfen hätte. Sie hielt den Hörer weit genug vom Ohr weg, um sich dem Lärm zu entziehen, aber nah genug, damit sie Paul hören würde, wenn er wieder an den Apparat kam. Zwei Minuten vergingen, dann sagte er: »Catherine? Es tut mir leid, schlechte Nachrichten. Oder gute, es kommt darauf an, wie Sie Mrs. Hammarqvist sehen. Sie mußte wegen einer Besprechung nach Straßburg fahren. Sie wird erst morgen früh wieder zurück sein, aber ihre Sekretärin hat hoch und heilig versprochen, Sie für morgen um elf einzutragen. Wenn das paßt?«
»Jetzt bin ich dran, ›ach Mist‹ zu sagen«, antwortete
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