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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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der Austin Cambridge des Squires gestanden hatten. Eine moderne Telefonzelle aus durchsichtigem Plexiglas hatte die alte, rote ersetzt, aber der Findling lehnte noch im gleichen vertrauten Winkel daneben. Sogar mit den modernen Autos und den verschönerten Häuschen war es an einem kalten Nachmittag wie diesem nicht schwer, sich Scardale so vorzustellen, wie es gewesen war, als sie es in ihrer Kindheit und dann später, als ihre kindliche Unschuld schon dahin war, als Teenager besucht hatte.
    Sie war sechzehn gewesen. Zweieinhalb Jahre waren seit Alison Carters Ermordung vergangen, und Catherine hatte einen Freund mit einem Motorroller. Sie hatte ihn eines Frühlingsnachmittags überredet, sie nach Scardale zu fahren, damit sie selbst den Ort sehen konnten, wo es geschehen war. Sie gestand sich mit einiger Beschämung ein, daß es reine Neugier und Lust am Makabren gewesen war. Sie war in dem Alter gewesen, wo das Ziel jeder Unternehmung das Aufregende und Skandalöse war. Sie hatten weder den Mumm noch das richtige Schuhwerk gehabt, um sich durchs Unterholz zu der alten Mine durchzukämpfen, aber ihr pubertäres Geknutsche im Wald hinter dem Gutshaus hatte für sie gerade wegen der berüchtigten Bekanntheit des Orts einen besonders lustvollen Reiz gehabt.
    Wie sie jetzt wußte, war es zugleich auch eine Art Exorzismus des Schreckens gewesen, den der Prozeß gegen Philip Hawkin hervorgerufen hatte. Natürlich waren die meisten Einzelheiten hinter den sensationslüsternen Redewendungen des Journalistenjargons versteckt, aber Catherine und alle ihre Freundinnen wußten, daß etwas Schreckliches mit Alison Carter passiert war – etwas von dem Schrecklichen, das einem Fremde antun konnten und vor dem man sie schon immer gewarnt hatte. Es war um so beängstigender gewesen, weil es Alison von jemandem angetan wurde, den sie kannte und dem gegenüber sie eigentlich berechtigtes Vertrauen hätte haben dürfen. Für Catherine und ihre Freundinnen, die alle behütet in bürgerlichen Familien aufwuchsen, war der Gedanke, daß ihr Zuhause nicht unbedingt zugleich Sicherheit bedeutete, zutiefst beunruhigend.
    Auf der praktischen Ebene bedeutete dies Beschränkungen im Alltagsleben – auferlegt durch die Eltern, aber durchaus auch durch sie selbst. Sie waren so sorgsam begleitet und bewacht worden, daß es sie einengte, besonders zu einer Zeit, als andere Teenager in England gerade die Swinging Sixties entdeckten. Alisons Schicksal hatte über Catherines Jugend einen bis dahin unbekannten dunklen Schatten geworfen, und sie hatte nie weder den Fall noch das Opfer vergessen können. Mehr als jeder andere Faktor hatte sie dies bei der Entscheidung beeinflußt, sobald sie nur irgend konnte, den Staub von Buxton von ihren Schuhen abzuschütteln. Das Studium in London, dann die Arbeit als Mädchen für alles bei einer Nachrichtenagentur und schließlich die Stelle bei der Nachrichtenredaktion als Verfasserin von Features hatten ihr erlaubt, die Bande zu ihrer Vergangenheit zu durchtrennen, ihr Leben mit neuen Gesichtern und neuen Interessen zu füllen und nichts unabgeschlossen und ungelöst hinter sich zu lassen.
    Als Catherine von einer Sprosse der Karriereleiter zur nächsten aufgestiegen war, hatte sie sich oft gefragt, was Alison die Zukunft wohl gebracht hätte. Nicht daß sie davon besessen war, sagte sie sich, sie war nur von der natürlichen Neugier getrieben, die jeden Journalisten bewegen sollte, der in der Nähe eines solch merkwürdigen und erschütternden Ereignisses aufgewachsen ist.
    Und jetzt würde sie wie durch ein Wunder diejenige sein, die endlich die Vergangenheit bloßlegen und die Geschichte hinter der Geschichte aufdecken würde. Es paßte zu ihr, fand sie. Keine andere Journalistin wäre besser geeignet dafür.
    Catherine stieg aus dem Auto, machte ihre Barbour-Jacke zu und wickelte den Schal fest um den Hals. Sie ging über die Wiese und kletterte über die Stufen zu dem Weg hinauf, von dem sie wußte, daß er sie durch das Wäldchen führen würde, wo Shep gefunden wurde, und weiter bis zur Quelle des Scarlaston.
    Als das rauhreifbedeckte Gras unter ihren Füßen knirschte, verglich sie unwillkürlich den heutigen Spaziergang mit ihrem letzten Besuch in Scardale. Ein heißer Julinachmittag vor zehn Jahren, die Sonne brannte von einem glänzend blauen Himmel, die Bäume boten willkommenen Schutz vor der Hitze. Catherine und zwei Freundinnen hatten ein Ferienhäuschen in Dovedale als Ausgangspunkt für

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