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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nichts tun, was das Glück des Jungen zerstören könnte. Mit einer Fremden über die ganze Sache zu reden könnte für mich tatsächlich etwas ändern.«
    »Ich glaube, du hast recht, Schatz, und ich kann nicht leugnen, daß ich froh bin über deine Entscheidung. Abgesehen von allem anderen war das eine wichtige Zeit in unserem Leben. Ich habe oft Dinge unterdrücken müssen, die ich sagen wollte, weil ich wußte, daß ich, wenn ich über die Zeit spräche, als ich mit Paul schwanger war, dich immer daran erinnern würde, wie du die Beweise gegen Philip Hawkin gesammelt hast. Es wird mir also nicht leid tun, wenn du Catherine Heathcote gegenüber offen sprichst, so daß ich über manche der Erinnerungen, die ich zurückhalten mußte, mit dir reden kann. Und nicht nur mit dir, sondern auch mit Paul. Ich weiß, das ist egoistisch von mir, aber ich würde es eben gern tun.«
    George machte vor Überraschung große Augen. »Ich hatte keine Ahnung, daß du solche Gefühle hattest«, wandte er kopfschüttelnd ein. »Wie konnte ich das nicht wissen?«
    Anne trank einen kleinen Schluck. »Weil ich es mir nicht habe anmerken lassen, mein Lieber. Aber jetzt, wo du richtig pensioniert bist und nicht mehr die Sicherheitsberatung machst, ist es Zeit, daß wir ohne Angst zusammen auf unser Leben zurücksehen können. Wir haben immer noch eine Zukunft, George. Wir sind nicht alt, nicht nach den Maßstäben der heutigen Zeit. Dies ist unsere Chance, die Vergangenheit ein für allemal aufzuarbeiten, und für dich, zu begreifen, daß das, was du getan hast, gut und richtig war und eine Wirkung hatte.« Sie streckte ihre knotige Hand aus und legte sie über seine. »Es ist Zeit, daß du dir selbst vergibst, George.«
    Der Seufzer schien tief aus ihm zu kommen. »Na ja, ich hoffe, Catherine Heathcote ist nachsichtig gestimmt.« Er gähnte. »Ich werde nämlich heute um zehn Uhr nicht in Hochform sein, wenn ich nicht noch etwas Schlaf kriege.« Er nahm Annes Hand in die seine. »Danke, Schatz.«
    »Wofür?«
    »Für die Erinnerung daran, daß ich nicht das Ungeheuer bin, das ich manchmal zu sein glaube.«
    »Du bist kein Ungeheuer. Na ja, außer wenn du mit einem Kater aufwachst. Es wird gutgehen, George«, beruhigte ihn Anne. »Es ist ja nicht so, als hielte die Vergangenheit Überraschungen bereit, nicht wahr?«

4
    Februar/März 1998
    A ls Catherine zum ersten Mal in ihrem gemieteten Häuschen in Longnor aufwachte, war sie kurz von panischer Angst ergriffen. Sie erinnerte sich nicht, wo sie war. Sie sollte genüßlich ausgestreckt in einem warmen Zimmer mit großen Schiebefenstern aufwachen. Statt dessen war ihre Nase eiskalt, sie lag unter einer fremden Steppdecke zusammengekauert wie ein Fötus, und das einzige Licht fiel seitlich von einem dünnen Vorhang herein, der vor zwei kleinen, in eine halbmeterdicke Steinmauer eingelassenen Flügelfenstern hing.
    Dann kam mit der Erinnerung plötzlich eine freudige Begeisterung, die ihren Ärger über die eisige Kälte in diesem winzigen Häuschen fast vertrieb, das man mit wenigen Schritten in Länge und Breite abgehen konnte und das sie für sechs Monate gemietet hatte. Die Besitzer dieses Ferienhäuschens waren entzückt gewesen, als sie sie ansprach. Jetzt wußte sie, warum. Niemand, der seine fünf Sinne beisammen hatte, würde diesen Eisschrank im Winter mieten, dachte sie, als sie aus dem Bett sprang und fror, sobald ihre langen Beine mit der Luft in Berührung kamen. Im Lauf des Tages würde sie sich warme Pyjamas und eine Wärmflasche kaufen müssen, sonst würde sie nicht von Longnor wegkommen, ohne wieder von den Frostbeulen befallen zu werden, die sie in ihrer Kindheit geplagt hatten. Sie verfluchte die Vermieter mit so starken und anschaulichen Worten, wie sie nur Journalisten einfallen, und rannte aus dem Zimmer.
    Das Bad war ein willkommener Zufluchtsort. Ein an der Wand hängender Heizstrahler verbreitete sofort warme Luft, und die Dusche war wunderbar dampfend heiß. Sie wußte, daß die effiziente Gasheizung auch das Wohnzimmer schnell aufwärmen würde, aber das Schlafzimmer war die reinste Vorhölle. Als sie aus der Dusche dorthin zurückkehrte, nahm sie sich vor, in Zukunft immer ihre Kleider mit ins Bad zu nehmen.
    Während sie sich anzog, dachte sie daran, daß sie seit der Zeit in Buxton in ihrem Elternhaus vor dem Einbau der Zentralheizung nie wieder irgendwo geschlafen hatte, wo es so kalt war. Plötzlich hielt sie inne, den Pullover halb über den Kopf gezogen.

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