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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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einen Vertrag für ein Buch, und Catherine hatte sich sechs Monate bezahlten Urlaub dafür ausbedungen. Nun war sie endlich in Scardale und als Akteurin an dem Drama beteiligt, das ihre Jugend so stark beeinflußt hatte.

3
    Februar 1998
    G eorge Bennett starrte sein Spiegelbild im Küchenfenster an. Der gespenstisch undeutliche Garten verschwamm hinter seinen Gesichtszügen und verwischte einige der Falten, die sich im Lauf der letzten fünfunddreißig Jahre eingegraben hatten. Alison Carters Verschwinden war der erste, aber bei weitem nicht der letzte Fall gewesen, der ihm schlaflose Nächte bereitet hatte. Und jetzt war sie wieder da und stahl ihm in einer kalten Winternacht den Schlaf. Halb sechs und keine Chance, zum süßen Vergessen zurückzufinden.
    Der Wasserkocher schaltete sich ab, und er wandte sich dem kühlen Neonlicht der Küche zu. Er goß kochendes Wasser auf den Teebeutel, den er schon in einen Becher gehängt hatte, und bewegte ihn mit einem Löffel, bis der Tee so stark wie möglich war. Zu viele Jahre in Polizeikantinen hatten bei ihm eine Vorliebe für bitteren, orangefarbenen Tee mit viel Gerbsäure hinterlassen. Er nahm die Milch aus dem Kühlschrank und goß gerade so viel hinein, daß der Tee abkühlte und er ihn sofort trinken konnte. Dann setzte er sich an den Küchentisch und zog die Schultern hoch, so daß sein Morgenmantel sich näher an den Körper schmiegte. Er griff nach der Packung Zigaretten auf dem Tisch und zündete sich eine an.
    Jetzt, wo ihm das erste richtige Interview mit Catherine Heathcote bevorstand, fühlte er plötzlich Bedauern in sich aufkommen. Er hatte es immer vermieden, über den Fall zu reden. Pauls Geburt war ihm als der perfekte Schlußstrich erschienen, ein neuer Anfang, der ihm erlauben würde, Ruth Carters Schmerz hinter sich zu lassen. Natürlich war das nicht so glatt und so leicht gewesen. Es gab zu viele regelmäßig wiederkehrende Dinge, die ihn bei der routinemäßigen Polizeiarbeit an Alison Carter erinnerten, als daß er sie aus dem leicht zugänglichen Bereich seines Gedächtnisses hätte einfach auslöschen können. Aber er schaffte es trotzdem, sich an seinen Entschluß zu halten, nicht über den Fall zu sprechen.
    Keiner seiner Kollegen hatte den Grund seines Schweigens zu einer Sache verstanden, die sie als Triumph empfunden und mit der sie bei jeder Gelegenheit angegeben hätten. Nur Anne hatte wirklich begriffen, daß hinter seiner Entscheidung ein Gefühl persönlichen Versagens stand. Obwohl so vieles gegen die Aufklärung von Alisons rätselhaftem Verschwinden gesprochen hatte, war sie ihm trotzdem gelungen, und er hatte genug Beweise zusammengetragen, damit der Verantwortliche gehängt wurde. Und doch plagte George die Überzeugung, er habe viel zu lange dafür gebraucht. Ruth Carter hatte schreckliche Wochen der Ungewißheit und der falschen Hoffnungen durchlebt und sich an die Vorstellung geklammert, ihre Tochter sei noch am Leben. Nicht nur das, Philip Hawkin hatte seine Freiheit länger genossen, als er verdient hatte. Er hatte die Mahlzeiten eingenommen, die seine Frau für ihn kochte, und hatte nachts geschlafen, während sie wach lag und sich mit der Angst quälte. Er war mit der Sicherheit des Großgrundbesitzers und der Überzeugung, ungestraft davonzukommen, über sein Land gegangen. George empfand Reue selbst für diese kurze Zeit, in der Hawkin sich in Sicherheit wiegen konnte.
    Und so hatte er allen Überredungsversuchen widerstanden, über den Fall zu sprechen. Er hatte Angebote von mehreren Autoren abgelehnt, die den Fall, aus seiner Sicht betrachtet, noch einmal aufrollen wollten. Sogar dieser Schlagzeilenjäger Don Smart hatte das Recht zu haben geglaubt, an seine Tür zu klopfen und seine Zeit und sein Wissen in Anspruch zu nehmen. Diese Anfrage auszuschlagen war ihm nicht schwergefallen, dachte George mit einem bitteren Lächeln.
    Es war eine Ironie des Schicksals, daß die gleiche Liebe, die es für ihn möglich gemacht hatte, nach vorn zu schauen, auch sein Verderben war. Als Paul ihm von Helens Schwester Jan in Scardale erzählt hatte, wußte er gleich, wenn es seinem Sohn mit dieser Frau so ernst war, wie es den Anschein hatte, würde er früher oder später seinen Entschluß aufgeben müssen, den Schauplatz des Verbrechens nie mehr zu besuchen. Bis jetzt war es noch nicht soweit gekommen. Aber er wußte, daß Helens Scheidung bald vollzogen sein würde, und hatte den sicheren Verdacht, daß das Paar nicht allzulange

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