Ein Ort für die Ewigkeit
schätzen. Es muß dir schwergefallen sein, ihn zu machen.«
»Ja, na ja«, sagte George abrupt. »Komm Junge, laß uns zusehen, daß wir vom Berg wegkommen, bevor wir im Regen ertrinken.«
Catherine hatte erwartet, daß ihre Rückkehr nach London nach dem eingeschränkten, ruhigen Leben, das sie in Longnor geführt hatte, eine Erleichterung sein würde. Es war ein Schock, daß die Stadt, die nun seit über zwanzig Jahren ihr Zuhause war, ihr fremd vorkam: zu laut, zu schmutzig und zu hektisch. Selbst ihre geliebte Wohnung in Notting Hill schien lächerlich groß für eine Person, die kühlen Pastelltöne und modernen Möbel irgendwie nichtssagend im Vergleich zu den dicken Steinmauern und dem durcheinandergewürfelten Mobiliar des winzigen Häuschens in Derbyshire.
Auch der Gedanke, sich zu beeilen und ihre freie Zeit mit sozialen Kontakten zu füllen, erschien ihr merkwürdig, obwohl sie sich zu einer Verabredung mit ein paar Freunden und Kollegen zum Abendessen zwang. Es konnte nicht gut sein, den Kontakt mit ihrer Arbeitswelt zu sehr zu verlieren, sagte sie sich. Und außerdem hatte sie nach zwei weiteren Interviews, einem Treffen mit dem Verleger, der ihr Buch in Auftrag gegeben hatte, und einem Brainstorming mit einem Fernsehproduzenten, der auf der Grundlage ihrer Recherchen einen Dokumentarbericht machen wollte, ein ungestörtes Vergnügen verdient.
Das erste der beiden Interviews war das mit Charlie – oder wie er jetzt lieber genannt wurde: Charles Lomas. Er war der einzige der beteiligten Personen, außer Alison natürlich, den sie bei ihren Zeitungsrecherchen entdeckt hatte. Sie hatte zwei Sonderberichte über ihn gefunden, allerdings wurden die traumatischen Ereignisse aus den Jahren 1963 und 1964 nicht erwähnt.
Der Grund, warum Charles Lomas es bis zu den Sonderseiten in überregionalen Zeitungen geschafft hatte, hatte nichts mit Scardale zu tun. Statt im Tal zu bleiben, wo man von ihm erwartete, daß er die Tradition der Farmerfamilie fortsetzte, ging Charles im Winter 1964 aus Scardale weg. Er trampte nach London, wo er Arbeit als Kurier für einen Musikverlag in Soho fand. Er hatte Glück, zur richtigen Zeit gekommen zu sein, als das ganze Land im Liverpooler Fieber zu swingen schien. Innerhalb von Monaten hatte sein nordenglischer Akzent ihm einen Teilzeitjob bei einer Gesangsgruppe gebracht. Er organisierte schließlich Auftritte, und in fünf Jahren hatte er als Manager von Rockbands eine profitable Agentur aufgebaut.
Als Catherine ihn fand, besaß er bereits ein internationales Plattenimperium und war immer noch Manager für ein halbes Dutzend der am besten verdienenden Rockmusiker Englands. In seiner Antwort auf ihre schriftliche Bitte um ein Interview hatte er ihr per Fax mitgeteilt, er würde mit ihr sprechen, einfach weil seine Familie George Bennett Dank schulde und er sich nicht vorstellen könne, wie man ihm den sonst abstatten könnte.
Als seine Sekretärin Catherine in sein Büro im fünften Stock mit Blick auf den Soho Square führte, war sie erstaunt. Mit seinem gut geschnittenen, silbergrauen, aus der hohen Stirn zurückgekämmten Haar, den gepflegten Händen und den glatten Wangen, die von der Rasur noch leicht glänzten, in Designerjeans und -hemd, konnte man sich nur schwer vorstellen, daß dies Charles Lomas, der Farmersohn aus Scardale, gewesen war. Aber es zeigte sich bald, daß er die legendäre Gabe des Geschichtenerzählens von seiner Großmutter geerbt hatte. Bevor er sich entschließen konnte, über Alison zu sprechen, unterhielt er Catherine eine halbe Stunde mit Tratschgeschichten aus der Welt des Musikbusiness.
Erst beim dritten Anlauf beantwortete er endlich ihre Frage nach Alison. »Das Mädchen war wirklich total ehrlich«, sagte er bewundernd. »Sie hatte nie ein Problem, es zu sagen, wenn sie eine Wut auf einen hatte. Man wußte bei ihr, woran man war. Janet war immer ein bißchen hinterhältig, sie raspelte Süßholz, wenn sie mit einem selbst sprach, aber hinterm Rücken redete sie gehässig über einen. So ist sie übrigens immer noch. Aber Ali wollte nichts mit dem ganzen Mist zu tun haben. Deshalb glaubte ich nie, daß sie von jemandem weggelockt wurde. Wer immer Ali mitgenommen hat, hätte sie dazu zwingen müssen, weil sie kein leichtgläubiges, albernes kleines Mädchen war.
Gleich von Anfang an wollte ich alles tun, um zu helfen. Ich schloß mich den Suchtrupps an, und natürlich habe ich die Stelle gefunden, wo der Kampf stattgefunden
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