Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
ernst genommen hätte. Aber als die alte Ma Lomas, Auge und Ohr von Scardale, sich der Mühe unterzog, mit ihren arthritischen Gliedern die Behaglichkeit ihres Häuschens zu verlassen, um in der beißenden Kälte zur Telefonzelle auf der Dorfwiese zu gehen, da mußte er reagieren. Zwar hatte er gedacht, er könnte bis zum Ende der Sendung um acht Uhr warten, bevor er etwas unternahm. Schließlich mochte Ma zwar als Grund ihres Anrufs die Sorge über ein verschwundenes Schulmädchen angeben, aber Grundy war sich nicht sicher, ob das nicht nur ein Vorwand war, um die Mutter des Mädchens ein wenig in Aufregung zu versetzen. Er hatte gehört und wußte, daß es einige Leute in Scardale gab, die meinten, Ruth Carter habe sich ein bißchen schnell mit Philip Hawkin eingelassen, auch wenn er seit dem Tod ihres Roy der erste Mann war, der es geschafft hatte, ihre Wangen wieder rosig glühen zu lassen.
    Dann hatte wieder das Telefon geklingelt, was dazu führte, daß seine Frau das Gesicht verzog und ihn aus seinem gemütlichen Sessel in den kalten Flur hinausrief. Diesmal konnte er die Aufforderung nicht unbeachtet lassen. Sergeant Lucas in Buxton wußte über das vermißte Mädchen Bescheid, und so machte er sich auf. Als wäre es nicht schon schlimm genug, daß die Kerle von Buxton dort herumtrampelten; sie wollten auch noch den Professor mitbringen. Es war das erste Mal, daß Grundy oder irgendeiner seiner Kollegen mit jemandem zusammenarbeiten mußte, der studiert hatte, und er wußte durch die Tratschgeschichten, die er bei seinen gelegentlichen Besuchen der Unterabteilung in Buxton gehört hatte, daß niemand sich bei dem Gedanken daran wohl fühlte. Er hatte sich gleich dem unzufriedenen Murren angeschlossen, das da behauptete, schließlich sei das Leben der beste Lehrer und das beste Studium für einen Polizisten. Diese Akademiker – man konnte sie Samstag abends nicht auf den Marktplatz in Buxton schicken. Sie hatten im Leben nie eine Schlägerei in einem Pub
gesehen
, und noch viel weniger wußten sie, wie man damit umging. Soweit Grundy wußte, war das einzig Gute, was sich über Kommissar Bennett sagen ließ, daß er eine geschickte Hand beim Kricket hatte. Und das war kein hinreichender Grund für Grundy, sich über sein Eintreffen in seinem Bezirk zu freuen, wo er die sorgsam gepflegten Kontakte durcheinanderbringen würde.
    Mit einem Seufzer knöpfte er den Hemdkragen zu. Er zog sich die Uniformjacke über, setzte die Mütze auf dem Kopf zurecht und nahm seinen Mantel. Mit einem beschwichtigenden Lächeln auf dem nervösen Gesicht steckte er den Kopf ins Wohnzimmer. »Ich muß nach Scardale«, sagte er.
    »Scht«, ermahnte seine Frau ihn ärgerlich. »Jetzt wird es gerade spannend.«
    »Alison Carter ist verschwunden«, fügte er hinzu, schloß boshaft die Wohnzimmertür hinter sich und eilte den Flur entlang, bevor sie reagieren konnte. Und reagieren würde sie, das wußte er nur zu gut. Ein Kind in Scardale verschwunden, das ging einem in Longnor viel zu nah, als daß man nicht einen kalten Schauer im Nacken gespürt hätte.
     
    George Bennett folgte Sergeant Lucas hinaus in den Hof, wo die Autos standen. Er wäre viel lieber in seinem eigenen Wagen gefahren, einem schicken Ford Corsair, der so neu war wie seine Beförderung, aber die Vorschriften verlangten, daß er sich auf den Beifahrersitz des als Polizeiauto gekennzeichneten Dienstwagens, eines Rovers, setzte und Lucas ans Steuer ließ. Als sie auf der Hauptstraße in südlicher Richtung über den Marktplatz fuhren, versuchte George, die prickelnde Erregung zu unterdrücken, die er empfunden hatte, als er die Worte »Mädchen vermißt« hörte. Es konnte sein, wie Lucas schon richtig bemerkt hatte, daß nichts hinter alledem steckte. Mehr als fünfundneunzig Prozent der Fälle vermißt gemeldeter Kinder endeten mit der Versöhnung vor dem Zubettgehen oder im schlimmsten Fall vor dem Frühstück.
    Aber manchmal war es anders. Manchmal blieb ein vermißtes Kind lang genug verschwunden, daß die Gewißheit wuchs, er oder sie werde nie mehr nach Hause kommen. Gelegentlich war dies deren eigene Entscheidung. Öfter war der Grund, daß das Kind tot war, und die Frage für die Polizei war dann, wie lang es dauern würde, bis sie die Leiche fanden.
    Und manchmal schienen sie so absolut verschwunden, als habe sich die Erde aufgetan und sie verschluckt.
    In den letzten zwei Monaten hatte es zwei solche Fälle gegeben, beide weniger als dreißig Meilen von

Weitere Kostenlose Bücher