Ein Ort wie dieser
ein Buch mit Schweinkram entdeckt, und waren ganz außer sich vor dem Bild eines Poitou-Esels mit Erektion.
»Ja, was seid ihr doch unanständig!«, rief Omchen und verteilte Ohrfeigen.
Die Baoulés stießen übertriebene Schreie aus und riefen »Gnade, E’ba’men, ich gute’ Nege’!«
»Ihr Schlingel, ihr seid doch nichts als Schlingel!«
Omchen sagte »Schingel«, und Alphonse äffte sie hinter ihrem Rücken nach: »Kleiner Schingel! Nix als Schlechtes im Kopf!«.
Cécile, die die Szene von der Tür aus beobachtete, musste zugeben, dass die Baoulés sehr frech wurden, sobald sie die erste Klasse hinter sich hatten. Omchen räumte das konfiszierte Buch weg und bemerkte die junge Frau.
»Ja, bitte?«, fragte sie in Abwehrhaltung.
»Ähh, guten Tag, Madame …«
»Madame Omchen.«
Das kam von Leon, der es übernahm, die beiden einander vorzustellen.
»Ich bin die neue Lehrerin …«
»Cécile!«, vervollständigte Leon.
»Achten Sie nicht drauf«, sagte Omchen. »Diese Blagen sind so was von unerzogen. Brauchen Sie was?«
»Ja, für meine Kleinen. Also für die erste Klasse. Ich hätte gern den Schlüssel für die Bibliothek.«
Vor lauter Überraschung klappte Omchen der Unterkiefer herunter, und sie stand einen Augenblick mit offenem Mund da. Dann rief sie verschreckt: »Es gibt nur einen Schlüssel. Einen einzigen. Das ist mein Schlüssel.«
»Aber ich will ihn Ihnen ja nicht wegnehmen. Ich will nur ab und zu mit meinen Schülern herkommen. Im Klassenzimmer gibt es nicht viele Bücher.«
»Ach so, ja, ach so, ja … Also nur herkommen …«
Omchen beruhigte sich allmählich.
»Sie lernen gerade lesen«, fuhr Cécile fort. »Es ist wichtig für sie, viele Bücher zu sehen und zu verstehen, dass man darin so viele faszinierende Geschichten findet …«
Omchen stimmte mit einem Nicken zu. Sie war sehr stolz auf ihre kleine Bibliothek. Sie hatte persönlich die Kissen genäht, die Bücher eingebunden und die Poster aufgehängt.
»Ich werde ihnen Geschichten vorlesen«, fuhr Cécile fort.
Omchen zuckte zusammen. »Ach so, ja? Sie lesen vor …«
Sie warf einen triumphierenden Blick auf all die Bücher, die sich ihr verweigerten.
»Nun gut«, schloss sie. »Sie sagen mir die Tage, an denen sie wollen, und denn mache ich Ihnen auf. Das soll mich nicht stören. Selbst wenn die Geschichten ein bisschen länger dauern, was? Das stört mich nicht.«
Als Cécile ging, rief Felix ihr nach: »Ist es wahr, dass Ihr Hase Kicko-Kack heißt und sich in die …«
»Achten Sie nicht drauf«, unterbrach ihn Omchen rasch.
»Wir sind Schingel!«, kicherte Alphonse.
Alle fingen sich eine neue Runde Ohrfeigen ein. Cécile beherrschte sich und wies Omchen nicht darauf hin, dass es verboten war, die Schüler zu schlagen. Sie dachte, dass die Baoulés sicher enttäuscht wären, wenn sie es nicht mehr täte.
Auf dem Rückweg war sie in Gedanken noch ganz mit der Schule beschäftigt. Sie sah Marianne mit ihren schönen Kuhaugen vor sich, Baptiste mit seinem von Ticks verzerrten Gesicht. Abends beim Essen erzählte sie wieder von Steven. Der kleine Junge schaffte es, zwei Buchstaben zu einer Silbe zu verbinden, aber kaum war er bei der nächsten Silbe, hatte er die erste vergessen.
»Er prägt sich nichts ein«, fasste Gil zusammen. »Okay, I go.«
Cécile und ihre Mutter zuckten zusammen: »Wohin gehst du?«
»Kino. In so’n Schrottfilm für Jugendliche.«
Er war bereits aufgestanden und wartete nicht einmal mehr auf die Erlaubnis seiner Mutter.
»Du hast morgen Schule«, erinnerte ihn Cécile.
Gil war in der zehnten Klasse, und Mittwoch-die-Mitte war nur für die Kleinen schulfrei. Er musste zur Schule.
»Ich hab Franz in der Ersten. Da schlafen alle, sogar die Lehrerin.«
Er schnappte sich seine schwarze Mütze, setzte sein Engelslächeln auf und sagte ohne Anlass: »Ich gehe die Welt ändern!«
Kapitel 5 Was der Hirschkuh fehlt, um ein Hirsch zu sein
Marie-Claude Acremant, die Lehrerin der vierten Klasse, galt bei den Eltern als eine dynamische Person. Mit ihr »unternahmen die Kinder ganz viel«. Und tatsächlich ließ Marie-Claude keinen einzigen Kanu-Kajak-Kurs aus, keine einzige Besichtigung eines Atomkraftwerks. Sie wusste, dass sie auf dem Hinweg, dem Rückweg oder an Ort und Stelle die eine oder andere qualmen konnte. Marie-Claude, grauer Teint und raue Stimme, war nikotinsüchtig. Monsieur Montoriol hatte das begriffen und schätzte es nur bedingt. Marie-Claude sah eine gute
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