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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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würde ein Desaster werden.
    Am 22 . Dezember hockte Audrey abends nach sechs immer noch vor ihrem Fernseher. Es lief eine neue Sendung:
Alle Tricks sind erlaubt.
Eine junge Frau kam mit ihrem Verlobten in die Sendung, um ihre Liebe auf die Probe zu stellen. Daher lieh sie ihn vierzehn Tage lang an zwei Mädchen aus. In hässlichem gelblichen Licht vertraute Sandy in Großaufnahme der Kamera an:
»Heiraten ist doch was Ernstes, also, ich meine … Also, ich finde, lieber, man weiß vorher … Denn es ist doch … also … Na gut, ich hab schon Vertrauen in Ben. Das ist doch nur ein Test, also, meine ich. Wir lieben uns, da bin ich sicher.«
    Audrey biss sich unsicher auf die Lippen. War so Liebe?
    »Also, Angst habe ich nur, wenn das dann eine Blondine ist, denn Ben fand Blondinen immer, also, vor allem, na ja, wenn das ein sehr … also wenn sie sehr sexy ist.«
    Die Off-Stimme kommentierte ironisch:
»Tja, leider ist Jacqueline tatsächlich eine sehr … sexy Blondine.«
    Die fragliche Blondine erschien auf dem Bildschirm und entlockte Audrey einen Schrei der Bewunderung: »Wow, so schön!«
    Und sie hatte keinen Bauch unter ihrem Top. Audrey seufzte. Die erste Prüfung bestand für Ben darin, in Begleitung von Cyrielle in einer Umkleidekabine zu sitzen. Die Umkleidekabine war sehr klein und in rotes Licht getaucht, und Cyrielle sollte einen BH und einen String-Tanga anprobieren. Audrey begriff überhaupt nicht, was daran reizvoll sein sollte, und genau in diesem Augenblick ging die Wohnungstür auf.
    »Mama!«, rief Audrey wie erlöst.
    »Schon wieder vor dem Fernseher«, murrte Madame Cambon.
    Sie machte sich Vorwürfe, dass sie ihre Tochter allein zu Hause ließ, und schimpfte sie daher aus, sobald sie sie sah.
    »Hast du wirklich nichts Besseres zu tun?«
    Audrey senkte den Kopf, und Madame Cambon fühlte sich noch unwohler. Aber sie hatte eine gute Nachricht: »Also, ich habe morgen einen Tag freigenommen. Wir machen die Weihnachtseinkäufe für dich.«
    »Au ja!«, rief Audrey, die ihren Schwung wiedergefunden hatte.
    Brandon kam ins Wohnzimmer, den Kopfhörer über den Ohren.
    »Nimm doch das Ding ab!«, rief seine Mutter verärgert. »Du wirst noch taub.«
    Begeistert zählte Audrey alles auf, was sie haben wollte: »Die Karaoke- CD von
Street Generation
, die Pizza-Party, die Familie Barbie-Glück …«
    »Und meine Xbox?«, brummte Brandon. »Kauft ihr mir die?«
    »Wolltest du nicht eher ein Mountainbike?«, erinnerte ihn seine Schwester.
    Er warf ihr einen bösen Blick zu: »Sag mal, hast du gehört, was
du
alles willst?«
    Madame Cambon ging kopfschüttelnd in die Küche. Der Weihnachtsmann würde sie noch teuer zu stehen kommen.
     
    Am 23 . Dezember brachen Audrey, Brandon und ihre Mutter gegen zehn Uhr zum Auchan-Supermarkt auf. Brandon war beinahe gut gelaunt, aber insgeheim schärfte er seine Argumente für den Fall, dass gegen seine Xbox Widerstand geleistet würde. Vor dem Einkaufszentrum war wie jedes Jahr der Weihnachtsmarkt mit seinen geschmückten Holzhütten aufgebaut.
    »Oh, Mama, guck mal: Die blinkende Weihnachtsmannmütze! Für nur zwei Euro!«
    Nach diesem ersten Halt war es Brandon ganz schlecht vor Hunger, und zwar ausgerechnet, als sie am Waffelstand vorbeikamen. Audrey musste sich von ihrer Mutter belehren lassen, weil sie zu viel Zucker aß, bekam aber trotzdem Zuckerwatte. Brandon, der innerlich das große Geschenkeverzeichnis führte, merkte, dass er schon einen Punkt im Rückstand war.
    »Oh, Mama, guck mal: die Spieldosen!«
    Und außerdem spielten sie
Jingle bells.
Audrey konnte sich nicht mehr davon lösen.
    »Ja, gehen wir jetzt?«, drängte Brandon genervt.
    Bei der Spieldose wurde Madame Cambon schwach, und Brandon tobte innerlich. Zwei Punkte Rückstand!
    »Wir fangen mit der Xbox an«, rief er und rannte einen Einkaufswagen holen.
    Er musste etwas Teures besitzen, und zwar sehr schnell, sofort. Es packte ihn richtig. Aber auf dem Weg kam er an den Handys vorbei.
    »Verdammt!«, rief Brandon. »Hast du das Motorola gesehen, mit Kamera? Ich glaube, ich halluziniere!«
    Madame Cambon ebenfalls: 419  Euro. Sie zog ihren Joker: »Dein Vater wird das nicht erlauben. Wo steht deine Konsole?«
    Nach dieser ersten – nicht endgültigen – Ablehnung hatte Brandon große Chancen, die Konsole und mindestens drei Spiele zu bekommen. Er tat also, als würde er kapitulieren.
    »Mama, kann ich mir die Barbies ansehen?«, fragte Audrey fordernd.
    »Zwei Minuten noch, wir

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