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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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Fernbedienung auf dem Sofa: »Was magst du sehen?«
    Philippine schien betrübt: »Hast du denn … keine Spielsachen?«
    Audrey wusste kurz nicht, was sie sagen sollte, dann rief sie: »Oh, doch! Ganz viele! In meinem Zimmer …«
    Audreys Zimmer war ordentlich aufgeräumt, da die Spielsachen kaum aus den Schränken geholt wurden. Die Mädchen packten ausführlich alle Sachen aus den Schachteln aus. Philippine bewunderte alles aufrichtig. Sie kannte keinen Neid. Aber nach einer halben Stunde war sie es ein bisschen leid: »Wir könnten doch auch spielen …«
    »Was denn?«
    Bis jetzt war Audrey die Anführerin gewesen. In dem Moment ging die Macht in neue Hände über.
    »Wir spielen Schule«, entschied Philippine. »Wir wären die Lehrerinnen. Du wärst die Lehrerin der Großen, und ich wäre die Lehrerin der ersten Klasse. Und die Kuscheltiere und Puppen wären die Schüler.«
    Audrey hörte mit offenem Mund und nicht gerade schlauem Gesicht zu.
    »Wir müssten uns aber wie Damen anziehen«, erklärte Philippine.
    Weit hinten in Audreys Augen begann es zu funkeln.
    »Im Kleiderschrank von meiner Mutter«, flüsterte sie.
    Madame Cambon kämpfte gerade mit der Füllung des Truthahns. Der Weg war frei. Die beiden gingen den Kleiderschrank durchsuchen und holten Stöckelschuhe und eine Handtasche heraus. Als sie wieder im Zimmer waren, riss Philippine Schmierpapier in kleine Stücke und bastelte Minihefte für die Schüler.
    »Wir geben ihnen echte Namen.«
    Sie schrieb auf die Hefte: LIZA , DEMOR , BATIS .
    »Du bist toll«, rief Audrey begeistert.
    »Baptiste wäre der Affe«, sagte Philippine und deutete auf das Stofftier.
    Die beiden Mädchen kicherten, sie verstanden ihre Andeutungen. Dann hielten sie den Schülern Unterricht und zeigten der Babypuppe, wie man ein A und ein B schreibt, oder forderten den Teddy auf, die Zahlen bis zwanzig aufzusagen.
    »Und dann«, sagte Philippine, »gäbe es Baptiste, der nichts anderes tut, als in der Klasse zu pupsen.«
    Sie nahm sich den Affen und ließ ihn mit genüsslichem »Pups, Pups« in die Hocke gehen. Audrey kreischte vor Lachen. Aber Philippine kannte kein Erbarmen und stellte den Affen in die Ecke. Es war wirklich ein zu schönes Spiel, und die Zeit sauste pfeilschnell dahin.
    »Oh, was ist das denn?«, fragte Philippine, als sie ein Bounty entdeckte, das zwischen dem Spielzeug versteckt war.
    Audrey war ein wenig verlegen. Sie hatte ein paar geheime Vorräte.
    »Das ist Schokolade mit Kokosnuss. Kennst du das nicht?«
    Philippine schüttelte den Kopf und dachte an Mimi. Das war bestimmt reine Chemie.
    »Darf ich … darf ich probieren?«
    Audrey nickte und dachte an die Kinderärztin. Sie durfte das nicht mehr.
    »Teilen wir?«, schlug Philippine vor und teilte den Riegel.
    Ganz langsam biss sie hinein, schloss dann die Augen und ließ die Schokolade schmelzen. Audrey sah ihr erstaunt zu, dann machte sie es ihr nach. Beide machten »Mmmmh« und öffneten wieder die Augen. Zum ersten Mal genoss Audrey eine Leckerei, anstatt sie zu verschlingen.
    »Mögt ihr was essen?«, fragte eine Stimme hinter ihnen.
    Sie fuhren auf.
    »Nein danke, wir haben keinen Hunger«, erklärte Philippine für beide.
    Madame Cambon entdeckte die Schuhe und die Handtasche, die inmitten einer Unmenge von ausgepackten Dingen auf dem Teppich lagen, und sie warf einen ganz neuen Blick auf den kleinen Gast.
    »Gut, aber macht keine Dummheiten«, sagte sie mit einem Anflug von Argwohn in der Stimme.
     
    Das Spiel konnte weitergehen, begleitet von Lachkrämpfen und Geflüster. Dann ertönte ein Klingeln, das ihnen durch und durch ging und sie mitten im Spiel erstarren ließ.
    »Meine Großmutter«, stieß Philippine hervor.
    Es klang wie ein Todesurteil.
    »Du brauchst sie nur zu fragen, ob du zum Schlafen bleiben kannst«, schlug Audrey vor.
    »Das will sie bestimmt nicht«, antwortete Philippine mit tragischer Stimme. »Sie will nie.«
    Währenddessen hatte Madame Cambon Mimi die Tür geöffnet und beruhigte sie. Ja, die Kleinen seien brav gewesen, nein, das habe sie überhaupt nicht gestört.
    »Philippine, deine Oma ist da!«
    Die beiden Mädchen kamen an, Hand in Hand und mit Gesichtern wie Verschwörerinnen.
    »Kann Philippine heute hier schlafen?«, fragte Audrey.
    »O nein, nicht heute Abend«, antwortete Mimi.
    Hätten sie eine Einladung des Präsidenten der Republik zum Abendessen gehabt, wäre sie nicht kategorischer gewesen.
    »Siehst du«, flüsterte Philippine Audrey ins

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