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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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fangen mit deinem Bruder an.«
    »Bei den Spielen brauche ich:
Burn out
,
Rainbow Six
und
Spiderman
«, zählte Brandon auf.
    »Das alles?«, fragte Audrey.
    »Guck du dir die Barbies an«, riet ihr Bruder.
    Er bekam ohne größere Schwierigkeiten, was er wollte, und spürte, wie er gierig wurde. Sie kamen an den Inline-Skatern vorbei.
    »Ich brauche neue«, erklärte er. »Oh, verdammt, die Perform-Inliner!«
    Zwei Sekunden zuvor hatte er nicht einmal daran gedacht. Aber 59  Euro! Voll krass. Audrey war den Tränen nahe: »Mama, ich hab nichts gekriegt!«
    »Ja, wir kümmern uns jetzt um deine Schwester«, erklärte Madame Cambon, die eine heraufziehende Migräne spürte. »Also, was steht auf deiner Liste?«
    Aber Audrey wusste es nicht mehr und lief verstört zwischen den Regalen entlang.
    »Oh, Mama, da ist
Klaus die Laus!
«
    »Aber das ist doch für Kleine!«
    »Oh, Mama, das
Cluedo!
«
    »Aber das ist doch für Große!«
    »Hast du gesehen:
Ninja Turtles.
«
    »Aber das ist für Jungen …«
    »Tierisch viel Familie.«
    »Aber das ist für Mädchen …«
    Audrey sah ihre Mutter mit weitaufgerissenen Augen an: »Aber … Ich bin doch ein Mädchen!«
    Madame Cambon fuhr sich mit der Hand an die Stirn. Sie wusste nicht mehr, was sie sagte.
     
    An diesem 23 . Dezember war auch ein anderes kleines Mädchen in der Stadt, um sich Geschäfte anzusehen. Bevor Mimi Philippine mitgenommen hatte, hatte sie ihr eingeschärft: »Wir sehen uns nur um. Wir kaufen nichts.«
    Hand in Hand kamen sie zum Weihnachtsmarkt. Philippine hüpfte umher.
    »Oh, Mimi, hast du die Weihnachtsmannmützen gesehen?«
    »Das ist nichts als ein Stückchen roter Filz. Das kann ich dir auch machen«, antwortete ihre Großmutter.
    Philippine beharrte nicht darauf. Sie bewunderte die Spieldosen, die Handpuppen, die Stofftiere, streichelte eine Weile einen Hasen, dachte an Kicko-Kack und legte ihn seufzend wieder zurück. Plötzlich blieb sie reglos stehen. Der Duft von Zuckerwatte hüllte sie vollständig ein, stieg ihr zu Kopf, berauschte sie und ließ ihr die Tränen in die Augen steigen.
    »Oh, Mimi, kann ich Zuckerwatte haben?«, murmelte sie mit versagender Stimme.
    »Was? So etwas Abscheuliches? Also ganz bestimmt nicht. Das ist doch reine Chemie. Guck dir mal dieses Rosa an!«
    »Das ist hübsch …«
    Philippine hatte vor langer Zeit schon mal welche gegessen. Ein Mann hatte sich zu ihr gebeugt und ihr die herrliche rosa Wolke hingehalten.
    »Mimi, bitte …«
    »Nein heißt nein. Du wirst dich doch wohl nicht so anstellen? Wie alt bist du?«
    Sie hätte am liebsten geschrien: »Ich bin sechs.«
    »Du wirst doch wohl nicht weinen?«, schimpfte Mimi sanft.
    Sie konnte es nicht fassen. Eine sonst so vernünftige Kleine. Aber es kam nicht in Frage nachzugeben.
    »Komm, wir sehen uns die Spielwarenabteilung an.«
    Philippine ließ sich zu Auchan schleifen. Nichts machte mehr Spaß. An einer Regalecke wartete jedoch eine tolle Überraschung auf sie.
    »Audrey!«
    »Philippine!«
    Die beiden Mädchen rannten aufeinander zu und umarmten sich. Man hätte denken können, zwei verirrte Forschungsreisende, die seit zwei Wochen im Dschungel herumlaufen, sehen sich endlich wieder. Sie hüpften vor Freude.
    »Mama, darf ich Philippine einladen?«
    Madame Cambon und Großmutter Martin tauschten einige Höflichkeiten aus.
    »Wir wollen nicht stören …«
    »Aber das stört doch gar nicht.«
    Brandon hatte bereits genug und erklärte: »Ich geh zu den Handys.«
    Da Mimi sich weiter bitten ließ, beugte Philippine sich über den Einkaufswagen der Cambons: »Was ist das denn alles?«, fragte sie verdutzt.
    »Das sind meine Weihnachtsgeschenke.«
    »Bringt dir die nicht der Weihnachtsmann?«, erkundigte sich Philippine verwundert.
    Audrey sah ihre Mutter fragend an. Madame Cambon räusperte sich, bevor sie sagte: »Gut, also trefft ihr euch nun heute Nachmittag?«
    »Ja, ja, ja!«
    Mimi gab auf, und Philippine lief hüpfend weiter. Mit leerem Magen und leichtem Herzen hüpfte sie über alle Enttäuschungen hinweg. Sie würde zu Audrey gehen!
     
    Um 14  Uhr klingelte Mimi bei den Cambons, wo sie vor der Tür stehen blieb und sich verschüchtert lange die Schuhe auf dem Fußabtreter abtrat.
    »Gut, sei auch schön brav, Philippine. Bis nachher, und sei bloß brav!«
    Madame Cambon warf einen Blick auf das strahlende schmächtige Kind, das so viele Ermahnungen zum Bravsein einsteckte.
    Audrey zog sie am Arm Richtung Wohnzimmer. Sie griff nach der

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