Ein Ort wie dieser
sie zweifelte sehr am Ergebnis. Da sah sie Leon, der vor der Kantine herumlief.
»Was tust du da?«
»Ich hab so Hunger.«
Omchen brauchte nicht lange, bis sie in der Küche Brot und ein paar Äpfel gefunden hatte. Zehn Minuten später saß die gesamte kleine Baoulé-Truppe auf den Kissen in der Bibliothek und aß eine Kleinigkeit. Monsieur Montoriol kam zu ihnen.
»Gut, ich habe Prudence und Pélagie bei den Pommiers untergebracht.«
»Wirklich?«
Cécile war verdattert.
»Sie haben 200 Quadratmeter«, erklärte Georges.
Dann wirbelte er mit den Handgelenken herum und erklärte geziert: »Verstehen Sie, mein Mann verdient wirklich sehr, sehr gut …«
Und er fügte hinzu: »Und Clotilde habe ich bei Melanie Muller untergebracht.«
»Oh, die Arme!«, sagte Cécile bedauernd. »Sie hat schon so viel Mühe mit ihren zwei Kindern.«
»Eben gerade. Ich habe ihr die Sache verkauft, indem ich ihr sagte, dass Clotilde sich immer wunderbar um ihre kleine Schwester kümmert. Im Grunde habe ich eine Babysitterin für sie gefunden.«
Er war nicht mehr zu bändigen.
»Gut. Wer ist jetzt dran? Ach, ja, Donatienne!«
Als die Kleine ihren Namen hörte, hob sie die Nase aus ihrem Bilderbuch: »Ich will zu meinem Zahnarzt.«
»Wie heißt der?«
»Der heißt Bruno«, sagte die Kleine mit einem entzückten Lächeln. »Außerdem hat er eine Tochter, die ist so alt wie ich, und die hat die Zahnarzt-Barbie und …«
»Es würde uns helfen, wenn du seinen Nachnamen wüsstest«, unterbrach Georges sie.
Die Kleine verzog das Gesicht. Sie wusste es nicht mehr.
»Das ist Dokto’ Mouliè’e«, antwortete die verwitwete Madame Baoulé, die endlich aus ihrer Benommenheit erwachte.
Georges eilte in sein Büro, holte das Telefonbuch aus seinem Schreibtisch und fand tatsächlich einen Bruno Moulière. Leider stieß er auf einen Anrufbeantworter, was seinem Schwung einen kleinen Dämpfer verpasste. Er würde es nie schaffen, alle unterzubringen! Da klopfte es an seiner Tür.
»Ja?«
In der Tür stand Eloi in seiner Armeehose. Die beiden Männer maßen sich mit Blicken.
»Guten Abend, Monsieur de Saint-André.«
»Hallo. Nat’ sagte mir, Sie säßen in der Scheiße …«
»Man könnte die Dinge auf andere Weise darstellen«, bemerkte der Direktor stirnrunzelnd.
»Mach dir keine Mühe, Mann«, erwiderte Eloi mit seinem Charme-Lächeln. »Ich war ein schlechter Schüler.«
Er setzte sich Montoriol gegenüber rittlings auf einen Stuhl.
»Nathalie ist mit einem Lieferwagen zum Bahnhof gefahren. Sie trifft sich dort mit den Eltern Baoulé und sammelt alles ein, was noch brauchbar ist.«
Georges seufzte, von einer gewissen Last befreit. Er informierte Eloi über das, was er bereits für seine Schüler unternommen hatte.
»Ich wollte gerade Madame Gervais anrufen, eine Frau, die lange bei der Antirassismus-Vereinigung MRAP aktiv war. Ich wollte ihr …«
Er sah auf seine Schülerliste: »… Honorine und Victorine vorschlagen. Sieben Jahre. Schwatzhaft, aber süß.«
»Was ist denn noch auf Lager?«, erkundigte sich Eloi.
»Ein Zwillingspaar. Felix und Tiburce. Tiburce, ein bisschen träge, Felix, eher ein bisschen zu aufgeweckt. Aber wenn man ihn von Zeit zu Zeit zusammenstaucht, kommt man gut zurecht. Dann habe ich noch Madame Baoulé und ihr Baby.«
»Die nehm ich«, sagte Eloi. »Die Guérauds haben sie schon bei ihrer Ankunft in Frankreich untergebracht. Sie sind einverstanden, ihr das Zimmer noch mal zu geben.«
Am Ende willigte Madame Gervais ein, die kleinen Zwillingsschwestern zu übernehmen, Marie-Claude Acremant opferte sich für Tiburce und Felix auf, und Doktor Moulière, den man in der Ambulanz erreicht hatte, willigte lachend ein, als er von der Anfrage hörte, Donatienne zu beherbergen. Die Eltern würden übergangsweise in den Vereinsräumen untergebracht.
Die beiden Männer verließen das Büro und gingen zu den Baoulés in der Bibliothek. Verwundert blieben sie einen Moment auf der Schwelle stehen. Cécile erzählte gerade, wie die Jäger den Bau der Hasen zugeschüttet hatten, ohne sich um Kicko-Kack oder seine Geschwister zu scheren. Jetzt irrten die Hasenkinder durch den Wald, die Nacht brach herein, und sie wussten nicht einmal, wo ihre Eltern waren. Die Baoulés saßen im Kreis um Cécile, mit offenem Mund, oder sie lutschten am Daumen. Schneewittchen, dachte Montoriol, und die … ähh … zwölf Zwerge.
Madame Baoulé wiegte Eden, den Blick in weiter Ferne, abgeschottet von zu
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