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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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auffällig, dass Louvier, der gerade mit einem soßetriefenden Big-Burger kämpfte, den Blick zu ihm hob.
    »Sind Sie Monsieur Dubreuil?«, improvisierte Gil.
    »Nein.«
    »Ach, ich dachte.«
    Er setzte sich und schien sich nicht mehr für Louvier zu interessieren. Aber er hörte zu. Das Gespräch hatte sich einem anderen Thema zugewandt. Gil begriff, dass der Herr versuchte, sich wieder mit der Dame zu versöhnen, indem er ihr ein Traumwochenende in London vorschlug.
    »Du wirst sehen«, erklärte er begeistert. »Da gibt es am Picadilly einen Tchip Burger über zwei Etagen!«
    Gil hatte sein Tablett leer gemacht. In Zeitlupe zog er sich an, nahm seinen Rucksack, und als er am Nebentisch vorbeikam, sprach er noch einmal den Mann an: »Sind Sie wirklich nicht Monsieur Dubreuil?«
    Die unglaubliche Ähnlichkeit schien ihn zu verblüffen.
    »Wollen Sie meinen Personalausweis sehen?«, entgegnete der andere verärgert. »Ich heiße Louvier!«
    »Dann ist das Ihr Doppelgänger.«
    Gil verließ den Burger und setzte sich nicht weit entfernt auf eine Bank, seinen Rucksack zwischen den Füßen. Er brauchte Ruhe, um seine Gedanken in Bewegung zu versetzen. Dieser Typ – mit Namen Louvier – war also der Chef von Eloi und der Besitzer des Tchip Burgers. Er war offenbar mit einer Frau befreundet, die alle Macht über die Baoulés in den Händen zu haben schien. Gil riss die Augen auf, während er die Platane vor sich musterte, als würde er sie befragen: Warum wollten dieser Typ und diese Frau den Baoulés so viel Böses? Aus Rassismus? Weil illegale Einwanderer staatliche Hilfe bekamen? Die Platane schien keine klareren Vorstellungen zu haben als Gil. Sicher war nur, dass Eloi seinen Job verlieren würde.
     
    Tatsächlich begab sich Louvier, kaum war die Dame von der Präfektur gegangen, zu den Kassen. Er rief Xavier: »Gib Eloi kurz frei. Ich muss mit ihm reden.«
    Das war kein gutes Zeichen. Louvier bestellte einen Mitarbeiter nicht so unvermittelt ein, um ihm die Auszeichnung als Mitarbeiter des Monats zu überreichen. Xavier ging und tippte Eloi auf die Schulter.
    »
Die Firma
will dich sprechen. Er ist im Büro.«
    Eloi dachte: Das riecht nach Ärger. Aber was konnte man ihm vorwerfen? Er erfüllte vollständig das QSS , Qualität, Schnelligkeit, Sauberkeit. Aber vielleicht hatte einer seiner lieben Kollegen ihn mit der Kundschaft scherzen hören oder gesehen, wie er ausgehungerten Jugendlichen etwas dazugeschenkt hatte? Das würde er natürlich leugnen. Mit klarem Blick und einem Lächeln auf den Lippen betrat er das Mitarbeiterbüro.
    »Sie wollten mich sprechen, Monsieur Louvier?«
    Der Chef stand in einem für ihn wenig schmeichelhaften Gegensatz zu seinem Angestellten. Er hatte zu viel und zu rasch gegessen. Sein Gesicht war rot, der Blick trübe, und sein Mund zitterte vor kaum beherrschter Wut. Er ging sofort zum Angriff über: »So, du hilfst also illegalen Einwanderern?«
    »Wie bitte?«
    Eloi hatte ein zugleich lächelndes und einfältiges Gesicht aufgesetzt, um Zeit zu gewinnen.
    »Ich beobachte dich schon seit einiger Zeit!« Louvier explodierte. »Ich weiß, dass du mich verarschst! Aber das hier, das übersteigt doch alles.«
    »Aber … Aber wovon reden Sie, Monsieur Louvier?«, stammelte Eloi, als wäre er wirklich verunsichert.
    »Es reicht mit deinen Mätzchen! Ich weiß aus sicherer Quelle, ich weiß, dass …«
    Trotz allem schwankte seine Stimme. Ihm war nicht wohl. Eloi ihm gegenüber hatte das angespannte Gesicht von jemandem, der zu verstehen versucht, was man von ihm will.
    »Du gehörst einem Verein an, der illegalen Einwanderern hilft.«
    Eloi spürte, dass Leugnen nutzlos war. Er wusste, woher die Information kam: die Schnepfe von der Präfektur. Plötzlich kam ihm die Erleuchtung, und er lächelte: »Ach, das! Ja, das ist ein Verein für Hilfe bei der Integration von Ausländern. Finanziell unterstützt von der Stadtverwaltung.«
    »Du hilfst illegalen Einwanderern«, wiederholte Louvier hartnäckig.
    »Es sind Asylbewerber«, verbesserte Eloi. »Wir helfen ihnen bei ihren ersten Schritten hier. Häufig sprechen sie kein Französisch …«
    Louvier hätte am liebsten gebrüllt:
Du versteckst die Baoulés!
Aber er durfte seine Karten nicht aufdecken.
    »Ich will bei meinem Personal keine Leute, die politisch aktiv sind«, fuhr er wutschnaubend fort.
    »An meinem Arbeitsplatz rede ich nie davon«, wandte Eloi ein, der ebenfalls wütend wurde.
    »Das sind illegale Aktivitäten!«,

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