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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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Mitnehmen? … Guten Appetit, Monsieur.«
    Beim Überreichen des Tabletts flüsterte er ihm dann aber zu: »Okay mit Donnerstag?«
    »No problem.«
    Mit einem tiefen müden Seufzer ließ Gil sich gegen die Wand fallen. Sein Blick schweifte völlig ausdruckslos durch den halbvollen Raum. Kein Kumpel in Sicht. Er biss in seinen Burger.
    Am Nachbartisch saßen Monsieur Louvier und die Dame von der Präfektur.
Die Firma
konnte sich nicht dazu durchringen, jemanden woandershin einzuladen als in sein Restaurant.
    »Na, die werden sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!«, flüsterte er wütend.
    »Nein, aber weißt du, es gibt Vereine, Ehrenamtliche …«
    »Warum sind die nicht verhaftet worden?«
    »Vorerst geht das nicht«, erinnerte ihn seine Freundin. »Heute ist der 10 . Die Frau hat bis zum 15 . Zeit, das Land zu verlassen.«
    »Aber wegen der Besetzung – werden Hausbesetzer denn nicht verhaftet?«, fragte Louvier empört. »So eine Besetzung ist doch Diebstahl, oder?«
    Die Dame von der Präfektur senkte die Stimme: »Also, Eigentümer eines Bahnhofs ist die SNCF , und die SNCF hat keine Anzeige erstattet. Ich habe eine Räumungsanordnung erreicht, indem ich auf die sanitären Bedingungen des besetzten Gebäudes verwiesen habe, auf die Unfallgefahren und das illegale Anzapfen von Stromleitungen … Jetzt wurden Türen und Fenster zugenagelt, mehr kann man nicht machen. Wenn sie Widerstand geleistet hätten, hätte die Polizei sie eingelocht. Aber es waren nur die Frau und ihr Baby da …«
    Neben ihnen aß Gil mit geschlossenen Augen. Das ein oder andere Wort drang in sein Gehirn: verhaftet … besetzt … Bahnhof …, aber ohne die geringste Gedankenassoziation auszulösen.
    »Das ist doch unglaublich, diese Leute dürfen sich alles erlauben!«, wütete Louvier. »Sie ziehen ein, wo sie wollen, sie profitieren von unseren Zuschüssen, unseren Schulen, unserem Gesundheitssystem und geben keinen Cent dafür aus. Alles kriegen sie. Ich schwöre dir, wenn ich Präsident wäre, die Charterflieger wären voll. Alle direkt in die Wüste!«
    Die Worte begannen, wie eine Flipperkugel zwischen Gils Schläfen hin- und herzurollen.
    Rassistisches Arschloch, dachte er.
    »Wir schuften und rackern uns ab, um ihnen ihr Arbeitslosengeld und alles zu bezahlen«, fuhr Louvier fort, der nicht mehr wusste, wie er seine Gehässigkeit ablassen sollte. »Das sind doch alles Profiteure, das sind doch … Sklaventreiber! Im Grunde ist es doch so! Wir sind die Sklaven dieser Leute!«
    Er verstummte, nur wenig erleichtert. Dieses Geschäft, das so gut eingefädelt war, würde ihm am Ende noch durch die Lappen gehen. Wenn er an all die Schmiergelder dachte, die er schon gezahlt hatte, kamen ihm Mordgelüste.
    »Und die Frau da, diese Baloula … lé … Dings? Wo die jetzt ist, weiß du nicht?«
    »Wir werden sie finden.«
    »Sage ich doch. Du weißt nicht, wo sie ist.«
    Gil machte die Augen wieder auf und sah starr vor sich. Was hatte er da gerade gehört?
    »Aber die Kinder«, begann Louvier wieder. »Die gehen doch immer noch in die Guilloux-Grundschule, oder?«
    »Ich … Ich vermute.«
    »Und wo schlafen sie? Auf der Straße?«
    »Ich hab’s dir erklärt. Es gibt einen Verein zur Hilfe für illegale Einwanderer.«
    »Und so was wird toleriert!«, tobte Louvier. »Leute, die illegalen Einwanderern helfen!«
    Die Dame von der Präfektur hatte genug, sich ständig anbrüllen zu lassen: »Stell dir vor, du hast sogar einen unter deinen Angestellten«, erwiderte sie.
    »Was? Spinnst du?«
    »Nicht im Geringsten. Ich habe ihn neulich in der Präfektur gesehen, zusammen mit dieser Halbverrückten, Nathalie irgendwas.«
    »Wer ist das?«
    »So ein Blonder. Er steht an der Kasse, gleich da hinten.«
    Der Hass hob Louvier vom Stuhl. Er sah zum Tresen.
    »Eloi?«
    »Genau. Eloi«, bestätigte die Dame.
    Louvier setzte sich höhnend: »Der wird hier nicht alt …«
    Gil sah sich genötigt, am Tresen nach Ketchup zu verlangen. Er ging an der ganzen Schlange vorbei direkt auf Eloi zu. Eloi sah ihn vorwurfsvoll an.
    »Ich muss mit dir reden«, flüsterte Gil.
    »Donnerstag.«
    »Nein, vorher.«
    Mit einer Kopfbewegung deutete Eloi auf den Teamleiter, der direkt hinter ihm stand: »Verschwinde.«
    Eine gute Minute stand Gil stumm und mit hängenden Armen da, ohne zu wissen, was er tun sollte. Dann kehrte er schlurfend an seinen Platz zurück. Bevor er sich hinsetzte, musterte er das Paar am Nebentisch. Er war so groß und so

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