Ein Ort wie dieser
Hallo? Ja … Madame de Saint-André …«
Cécile hielt sich mit beiden Händen am Stuhlrücken fest.
»Ja, sie ist da«, sagte Georges. »Ich soll ihr sagen, dass …? Ja. Auf Wiedersehen, Madame, machen Sie’s gut.«
Er legte auf.
»Er ist aus dem Koma erwacht«, sagte er, ohne es für nötig zu erachten zu präzisieren, dass es sich um Eloi handelte. »Er hat darum gebeten, Sie zu sehen.«
Cécile fuhr sich mit beiden Händen ans Herz: »Mich zu sehen? Mich?«
»Ja. Sie.«
»Oh, ich … ich bin so …«
Noch im Augenblick zuvor am Boden zerstört. Und jetzt, so …
»Glücklich!«, rief sie laut.
Und sie warf sich Georges in die Arme und schluchzte an seiner Schulter. Er bemerkte, dass die Tür zu seinem Büro offen geblieben war und seine Situation heikel werden konnte. Tatsächlich näherte sich auch jemand. Schritte, die Montoriol zu erkennen glaubte. Sofort sah er, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte.
»Na, also wirklich, Mademoiselle Barrois, reden Sie mir nicht davon zu kündigen. Dadurch ist doch Ihre Laufbahn nicht gefährdet. Mit dreiundzwanzig ist man nicht fertig! Und Sie müssen doch arbeiten, um für den Unterhalt Ihrer alten Mutter und Ihres jungen Bruders zu sorgen …«
Im Türrahmen erschien der Inspektor, und Montoriol tat, als würde er überrascht zusammenfahren.
»Ich habe meinen Schal bei Ihnen vergessen«, murmelte Monsieur Marchon.
Cécile löste sich von Georges und verbarg ihre Freudentränen hinter den zusammengelegten Händen.
»Sie … Sie dürfen das nicht so verstehen«, stammelte Monsieur Marchon. »Ich bin immer ein … ein bisschen streng bei den Unterrichtsbesuchen. Aber mein Bericht wird nachsichtiger. Ich habe doch gesehen, dass Sie gewissenhaft sind und dass … äh … Ihre Klasse sehr angenehm ist. Nun, also, äh, auf Wiedersehen, Monsieur Montoriol.«
Georges begnügte sich mit einem Nicken. Dann hörte er, wie die Schritte des Inspektors leiser wurden.
»Er ist weg«, murmelte er.
Daraufhin nahm Cécile die Hände vom Gesicht und warf ihm einen Seitenblick zu. Er wagte kaum zu lächeln. Aber wenn er sich in ein paar Jahren an diesen Moment erinnern würde, würde er schallend lachen.
Kapitel 23 Der Tag, an dem Cécile gelogen hat
Es hatte geschneit. Der Rasen, der leicht zum Fluss Loiret hin abfiel, war weiß und unberührt. Weiß war auch das Anwesen der Familie de Saint-André, das an eine Kolonialvilla erinnerte. Hinter den Fenstern des Wintergartens konnte man ein paar exotische Sträucher in Töpfen erkennen sowie das tiefe Blau des Schwimmbeckens.
Madame de Saint-André, die mit Vornamen Edith hieß, stieg aus dem Wasser, hüllte sich in einen kuscheligen himmelblauen Bademantel und empfand einen wohligen Glücksschauer, als sie den Gürtel festband. Eloi war zu Hause. Zwei Tage zuvor war er in sein Zimmer zurückgekehrt und hatte hocherfreut sein ehemaliges Kindermädchen vorgefunden. Am Vorabend hatte Monsieur de Saint-André mit seiner Frau über die Zukunft von Eloi gesprochen. Er war ein sehr intelligenter Junge, er sollte seine Schulausbildung wieder aufnehmen, aber nicht in Form von Fernunterricht, sondern mit Privatlehrern. Dann würde er schnell sein Abi machen und dann …
»Ihm stehen alle Türen offen«, hatte Monsieur de Saint-André erklärt und eine weite Armbewegung gemacht.
Die Saint-Andrés hatten wieder einen Erben. Auf diesem Bild, das der Happy-Barbie-Family würdig war, gab es nur ein paar wenige Schatten. Zunächst einmal hatten die Freunde von Eloi ein Verfahren wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums und Vandalismus am Hals. Dank seines Abtransports durch einen Rettungswagen war Eloi dieser Anklage entgangen. Dann gab es da dieses halbverrückte Mädchen, das schon zweimal angerufen hatte. Sie wollte wegen einer Familie aus der Elfenbeinküste, die eine Abschiebeverfügung oder Gott weiß was erhalten hatte, mit Eloi sprechen. Edith hatte der jungen Person zu verstehen gegeben, dass ihr Sohn absolut nicht in der Lage sei, sich um Ivorer, Senegalesen oder Menschen aus Burkina Faso zu kümmern. Dann blieb noch Cécile.
Jetzt, wo ihre Angst sich wieder gelegt hatte, sah Edith Cécile so, wie sie war. Eine liebe Grundschullehrerin, ein bisschen unscheinbar. Sie öffnete ihren Bademantel und tauchte mit Wohlbehagen in den sprudelnden Whirlpool. Eloi schien an Cécile Barrois zu hängen. Na, warum auch nicht? Wenn sie sich eine andere Frisur machen ließe, mit hellen Strähnchen etwa, und vor allem,
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