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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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Undenkbar, einen Kuss zu geben. Eloi bereitete ihrer Befangenheit ein Ende: »Auf Wiedersehen, Mademoiselle Grundschullehrerin.«
    »Ja, ich, ja, auf Wiedersehen.«
    Sie machte zwei Schritte in Richtung Ausgang.
    »Lügst du oft, Cécile?«, fragte die spöttische Stimme, die sie so liebte.
    »Nur bei wichtigen Dingen«, antwortete sie und verließ das Zimmer.
    Zehn Minuten später holte ein Trappeln Eloi erneut in die Wirklichkeit zurück. Er hielt die Augen geschlossen, während er überlegte. Wer war da? Sein Vater wäre lauter gewesen. Das Kindermädchen hätte geklopft. Bestimmt war es seine Mutter, die sich vergewissern wollte, dass alles in Ordnung war. Da er nicht mit ihr reden wollte, tat er, als würde er schlafen. Es war aber Eglantine. Sie näherte sich diesem großen Bruder, der zwei Tage zuvor mit seinem zertrümmerten Kopf wie vom Himmel gefallen war und den sie kaum auch nur von der Türschwelle aus sehen durfte. Man durfte ihn nicht ermüden. Aber sie konnte ihn doch wohl angucken. Sie musterte ihn, halb erschreckt und halb angetan von dem jungen Mann, den seine Verletzung krönte.
    »Bist du tot?«, erkundigte sie sich.
    Er spürte einen Stich im Herzen, als er die Stimme hörte. Die kleine Schwester.
    »Nein, aber ich schlafe«, antwortete er.
    Sie lachte.
    »Das geht doch nicht, dass man redet, wenn man schläft.«
    Er schlug die Augen auf: »Ich bin Schlafwandler. Und du? Bist du ein kleines Gespenst?«
    »Ja«, sagte sie begeistert.
    Ohne darum gebeten worden zu sein, setzte sie sich aufs Bett und machte ein schmerzhaft interessiertes Gesicht: »Tut es dir weh?«
    »Ja.«
    »Aber du wirst gesund?«
    Warum diese Hartnäckigkeit? Seit zwei Tagen war im Haus sicherlich von nichts anderem als von Eloi die Rede gewesen. Eloi dachte an das Kätzchen, das er aus Eifersucht hatte umbringen wollen.
    »Wäre es gut, wenn ich tot wäre?«, erkundigte er sich.
    Eglantine gab ein bestürztes
Ooohh!
von sich, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Dann versuchte sie, ihren großen Bruder zu beruhigen: »Weißt du, mein Verliebter, der hat einen Zwillingsbruder, und der hat ein ganz verbranntes Gesicht. Und trotzdem ist er nicht tot.«
    Irritiert zog Eloi die Brauen hoch: »Wie heißt dein Verliebter?«
    »Toussaint.«
    Eloi fuhr sich mit der Hand an die verbundene Stirn. Darunter pulsierte das Blut.
    »Toussaint wie?«
    »Baoulé.«
    »Eglantine!«
    Er hatte fast geschrien. Sein Kopf drohte zu explodieren.
    »Was?«
    »Du bist meine kleine Schwester!«
    Genau wie er – frei in ihren Entscheidungen. Genau wie er – immer geradewegs auf das zusteuernd, was ihr nicht ähnelte.
    Sie zuckte mit der Schulter: »Aber ja, klar.«
    Der große Bruder war ein bisschen bekloppt.

Kapitel 24 In dem Madame Baoulé sich nicht zu beklagen braucht, denn sie hat ja einen Fernseher
    Diesmal hatte
Die Firma
die Dame von der Präfektur anderswohin eingeladen als in den Tchip Burger. Natürlich fand er das Fleisch zäh und den Service unglaublich langsam. Inzwischen war man beim Nachtisch.
    »Ihr habt sie also ausfindig gemacht?«, fragte er.
    »Sie ist bei Lehrern, die sie schon in der Elfenbeinküste kannten.«
    »Und ihr verhaftet sie …?«
    »Am Montag. Am frühen Morgen.«
    Es war Samstagabend. Louvier genoss die Nachricht zusammen mit einem großen Löffel Tiramisu.
    »Nicht schlecht, der Nachtisch hier«, musste er einräumen. »Und die anderen? Wann buchtet ihr die ein?«
    »Die haben bis zum 5 . Februar.«
    Es war der 28 . Januar. Für die Eltern Baoulé hatte der Countdown ebenfalls begonnen.
    »Aber weißt du«, sagte sie leise. »Ich bin ein ziemliches Risiko eingegangen.«
    »Ich weiß, ich weiß«, flüsterte er seinerseits und tätschelte ihr die Hand.
    »Ich habe aus ihrer Akte alle Beweise getilgt, die …«
    »Ja, ja, ja.«
    Er wollte nicht zu viel wissen.
    »Und ich habe die amtliche Mitteilung über die Ausweisung verschickt, ohne ihnen Zeit zu lassen, Einspruch beim Verwaltungsge…«
    »Ach, ich verstehe überhaupt nichts von deinem Fachchinesisch! Magst du einen Kaffee?«
    Seine Weste war weiß wie Schnee, und das sollte auch so bleiben.
    »Und die Kinder?«, fragte er. »Denn die Eltern sind mir im Grunde piepegal. Wichtig ist, dass die Kinder in ihr Kaff zurückkehren.«
    »Das habe ich dir schon erklärt: Minderjährige können nicht ausgewiesen werden. Aber die Eltern werden sie mitnehmen wollen.«
    »Und wenn sie nicht wollen?«, fragte Louvier besorgt. »Was geschieht dann?«
    »Dann werden

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