Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
tätscheln, aber die Hand gehorchte ihm nicht, Richters Tod eine unüberwindbare Barriere.
    Er ging zur Tür, hörte, dass Toumi ihm folgte. »Waren Sie doch nicht in Tamanrasset?«
    »Wir sind gestern Abend zurückgeflogen.«
    »Wir?«
    »Mademoiselle Samraoui und ich.«
    »Ist sie … hier?«
    Toumi schüttelte den Kopf. »In Algier. Ich dachte, dort ist sie sicherer als in Tamanrasset. Sie weiß, dass Ihr Telefon überwacht wird, Sie müssen einen anderen Weg finden.« Er berührte Eleys Arm, geleitete ihn in die Küche. Er wirkte kleiner, als Eley ihn in Erinnerung hatte, ging zusammengesunken, unter den Augen Schatten bis hinunter auf die Wangen.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Toumi, »dass wir Monsieur Richter verloren haben.«
    »Verloren? Sie haben ihn auf dem Gewissen, Sie und Ihre Bande. Und ich habe ihn nicht gerettet.«
    Toumi erwiderte nichts.
    Jemand hatte Gebäck besorgt und frischen Kaffee gekocht. Sie setzten sich an den kleinen Küchentisch, aßen schweigend. Dann sagte Toumi: »Wenn Sie in Algier nur kooperiert hätten.«
    »Blödsinn. Und selbst wenn es etwas geändert hätte, ich bin nicht Ihr Verbündeter.«
    »Aber auch nicht mein Feind.«
    Und darin, dachte Eley, lag das Problem. »Kooperieren wir jetzt. Soudani ist in Deutschland – warum?«
    »Er hat dort Waffen gekauft.«
    »Das ist der einzige Grund?«
    Toumi runzelte die Stirn, schien abzuwägen, wie viel er erzählen sollte. »Wir hatten einen Plan, aber er lässt sich nicht mehr durchführen. Nicht nach …« Er hob die Hand in Richtung Fenster. »Bouzeguène war eine unserer zentralen Schaltstellen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die anderen zu schützen. Wir sind, wie sagt man, erst einmal mit uns selbst beschäftigt.«
    Eley wusste nicht, was er davon halten sollte. Madjer hatte etwas anderes angedeutet.
    Er stand auf. »Ich muss los.«
    »Warten Sie.« Toumi erhob sich ebenfalls. »Ich bringe Sie nach Algier. Aber ich kann Sie nicht verstecken. In Ihre Wohnung und in die Botschaft können Sie nicht. Auch die Residenz wird überwacht. Der Diplomatenstatus wird Ihnen nichts nützen. Es könnte … einen Unfall geben. Nichts Dramatisches. Vielleicht auch nicht, vielleicht setzen die Sie einfach in die nächste Maschine, die Algier verlässt.«
    Eley nickte.
    »Haben Sie einen Ort, wo Sie für ein, zwei Tage bleiben können? Bis wir überlegt haben, wie es weitergeht?«
    »Ja«, sagte er.
    Einen dunklen Ort, wo andere Fäden zusammenliefen.

54
    NAHE VILLINGEN-SCHWENNINGEN
    Ameisen weckten Wegner. Er spürte sie auf einem Arm, einem Bein, am Hals. Ameisen im Schlafzimmer, dachte er, eine Katastrophe. Der Kammerjäger musste her.
    Als er die Augen öffnete, begriff er, dass er nicht in seinem Bett in Dahlem lag, sondern im Wald bei Villingen-Schwenningen. Trübe und kraftlos hing das Licht des anbrechenden Morgens zwischen den Bäumen. Ein paar Vögel krächzten, Laub raschelte, aus der Ferne drang Autoverkehr an sein Ohr. Er lag auf einem vermodernden Baumstamm, wenigstens das, nicht auf dem feuchten Erdreich, er hätte sich den Tod geholt und mit gerade fünfzig Jahren das Schicksal der männlichen Wegners stilgetreu fortgesetzt.
    Er setzte die Füße auf den Boden, erhob sich und begann, mit Armen und Beinen zu schlackern. Doch die Ameisen ließen sich nicht beirren, sie blieben, wo sie waren. Also entkleidete er sich, stand fröstelnd mit bloßem Oberkörper da, ließ die Hose herunter und wischte sich die Insekten mit den Händen von der Haut. Eine kurze, heftige Schlacht, die er natürlich gewann, wenn auch nicht unversehrt. Ein paar Ameisen hatten ihn mit Gift bespritzt, schon juckte es überall. Wenig später hatten sich ein halbes Dutzend breitflächige rote Pusteln gebildet, eidottergroße, warme Schwellungen. Entsetzt begriff Wegner, dass sein Körper allergisch reagierte. Er brauchte einen Arzt. Zumindest eine Apotheke.
    Hastig schüttelte er die Kleidung aus, zog sich an und versuchte währenddessen, sich zu orientieren. In einer Richtung war zwischen den Bäumen das Ende des Waldes zu erahnen, also wandte er sich dorthin. Bald erkannte er die lang gezogene Rückseite des Bordells, Autos, die auf der Landstraße vorbeirasten. Im Laufen kratzte er sich am Hintern, am Oberschenkel, das Jucken schier unerträglich, ein einziges Brennen und Beißen.
    Da fielen ihm drei Dinge ein: dass ihn seine Frau verlassen würde. Dass die Staatsanwaltschaft an ihm dran war. Dass sich jetzt andere um Prinz »kümmern«

Weitere Kostenlose Bücher