Ein paar Tage Licht
einer der Jungen musste sie stützen. Immer wieder wurden sie in den orangefarbenen Schein der Flammen getaucht, verschwanden im Dunkel, erschienen wieder.
Dann waren sie nicht mehr zu sehen.
Madjer sprach leise auf Yazid ein. »Er ist verletzt«, sagte er schließlich.
Yazids Gesicht war schweißüberströmt, er saß leicht gekrümmt. Aber er wehrte ab, sagte rasch auf Französisch: »Nicht schlimm, nicht schlimm.«
Eley wartete mit geschlossenen Augen. Er sah Richter vor sich, den blutüberströmten Körper am Fuß des Klostertors. Er dachte, dass dies nicht hätte geschehen dürfen. Er hätte es verhindern müssen.
Ein paar Minuten verstrichen. Er hörte Yazids hechelnden Atem. Madjer, der sich unablässig bewegte.
Plötzlich raste einer der Hubschrauber ostwärts, das Maschinengewehr ratterte. Dumpfe Detonationen erfolgten, vier, fünf, sechs. Landminen, ausgelöst von den Kugelgarben. Vielleicht von einem in Panik geratenen Flüchtenden.
Der Beschuss endete abrupt.
Eley öffnete die Augen, begegnete Madjers hoffnungslosem Blick.
Zehn Minuten später drehten zwei der Hubschrauber ab, nur der dritte blieb. Grelles Licht flammte auf. Sie begannen, das zerstörte Kloster mit dem Scheinwerfer nach weiteren Überlebenden oder Verletzten abzusuchen, fühlten sich inzwischen sicher, keine Gefahr mehr durch Gewehrschützen.
Als der Lichtkegel von Osten an der Außenseite der Mauer entlangglitt, krochen Eley, Madjer und Yazid durch eine Lücke in den einstigen Gemüsegarten, der von Steinbrocken, Ästen, Holzstücken übersät war. Dort warteten sie im Schutz der Trümmer, bis sich der Hubschrauber nach Norden wandte.
»Jetzt«, sagte Eley.
Yazid stolperte gebückt voran, Eley stützte Madjer, der sich anfangs leicht machte, aus eigener Kraft lief. Nach dreißig, vierzig Metern hing er schwer an seinem Hals, bekam die Füße kaum noch hoch. Zu zweit konnten sie ihn nicht tragen, der minenfreie Weg über das Plateau war nur knapp einen Meter breit. Er war, wie Madjer erklärt hatte, daran zu erkennen, dass dort in unregelmäßigen Abständen helle handtellergroße Steine lagen, wie sie hier sonst nicht vorkamen.
»Was ist mit euren Wachposten?«, fragte Eley keuchend.
»Sie sollten … untertauchen, wenn so etwas geschieht.«
Eley spürte, dass Madjer der Ohnmacht entgegentrieb. Hin und wieder knickte ein Knie weg, und der unverletzte Arm um seinen Hals war plötzlich schlaff. Aber es war nicht mehr weit bis zu dem erhöhten Abbruch, an dem das Plateau endete.
Er warf einen Blick zurück. Wieder hatten sie Glück. Der verbliebene Hubschrauber stand mit dem Heck zu ihnen über der Ruine.
Dann krochen sie den Abhang hinauf. Wortlos hockte Yazid sich an die Kante, als wollte er einen letzten Blick auf das von erlöschenden Flammen nur noch vage beleuchtete Kloster werfen, sich von den gefallenen Kameraden verabschieden. Auch Madjer wandte sich dem zerstörten Unterschlupf zu, und Eley drehte sich notgedrungen mit ihm um.
Der Helikopter war zu hören, aber nicht zu sehen, nur der lange Lichtkegel, der dem Himmel zu entspringen schien.
»Ist die Revolution jetzt abgesagt?«, fragte Eley.
Madjer bewegte die Hand in Richtung Feuerschein. »Das hat keine Bedeutung für die Revolution. Nur für Sie, für mich. Die Familien der Toten.«
»Richters Familie.«
»Ja.«
Eley spürte die Wut hochsteigen. »Soll ich der Familie ausrichten, dass es Ihnen leid tut, dass aber andere die Verantwortung tragen? Der verfluchte Soudani?«
»Ich trage die Verantwortung, Monsieur Eley, und es tut mir sehr leid. Richten Sie das aus.«
»Ja«, sagte Eley. »Gehen wir endlich. Yazid?«
Yazid reagierte nicht. Eley sah, dass seine Schultern zuckten, hörte ihn leise weinen. Dann brach das Weinen ab, er sank auf die Seite, den Rücken, die Augen schon erstarrt.
Schweigend waren sie weitergegangen, der Grasebene gefolgt, dem Hügelkamm, hatten kurz darauf den Wald erreicht, drohend die dunklen Bäume, der Weg dazwischen nicht zu erkennen.
»Warten Sie bitte«, keuchte Madjer.
Eley half ihm, sich zu setzen.
»Ohne Taschenlampe hat es keinen Sinn.«
»Wir müssen es versuchen«, sagte Eley.
»Es gibt andere Wege in die Dörfer, aber wir benutzen sie nicht.«
» AQMI -Wege?«
Madjer nickte.
»Kennen Sie einen davon?«
»Westlich von hier am Waldrand beginnt einer.«
»Ist er vermint?«
»Nicht hier oben, erst weiter unten.«
Eley blickte an den Bäumen entlang nach Westen in die Dunkelheit, wog die Optionen ab. Sie
Weitere Kostenlose Bücher