Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
Winzling ausnahm.
    Wegner hatte nie in Erfahrung bringen können, weshalb das Zimmer ausgerechnet im spanischen Stil eingerichtet worden war. Vielleicht, hatte ein Kontaktmann einmal gemutmaßt, eine subtile Reminiszenz an die spanische Aufbauhilfe. Gewehrbestellungen von General Franco hatten der Firma Anfang der fünfziger Jahre den nach der Entmilitarisierung durch die Alliierten nötigen Schub zum Neustart gegeben, ähnlich wohl wie bei Heckler & Koch.
    »General! Welche Ehre, welche Freude!«, rief Wegner auf Französisch, als er den Raum betrat.
    Soudani erhob sich nicht aus dem Sessel, schüttelte ihm aber die Hand, nachdem er den Raum durchquert und sich hinuntergebeugt hatte. Die eisigen Augen krochen über sein Gesicht, und Wegner war plötzlich davon überzeugt, dass sie die acht Mädchen vom Vorabend darin sahen, ihn selbst mit geöffnetem Hosenschlitz, Lolitas vor- und zurückgleitenden Mund. Dass sie all das Falsche, Billige, Verlogene sahen, den Berghammer in ihm, der sich für nichts zu gut war.
    Er entwand sich den Augen und richtete sich auf. »Said, wie schön, Sie wiederzusehen!«
    Nicht einmal Moussa stand auf, er lächelte nur schmal, sein Händedruck desinteressiert.
    Auch Gerhard Wintrich, der CEO von Meininger Rau, blieb sitzen, aber er durfte, er war der Chef. Ein kurzer Handschlag, ein knappes Nicken, verschworene Gemeinschaft. Wegner setzte sich auf die Kante der Couch und sagte: »Hatten Sie eine angenehme Reise, General?«
    Small Talk mit Soudani, nichts Schlimmeres als das.
    Bravourös hielt er durch, übersetzte nebenbei für Wintrich, der kein Wort Französisch sprach. Erneut stellte er, wie er fand, unter Beweis, dass er für die Firma unersetzlich war. Wintrich, ein sozial in höchstem Maße inkompetenter Ingenieur und Technokrat, begann sich zu entspannen.
    Soudani dagegen blieb steif. Nicht der Hauch einer Emotion belebte das erstarrte Antlitz. Wegner hatte es nicht anders erwartet. Er vermutete, dass zum letzten Mal ein Gefühl durch diesen Körper geströmt war, als Soudani 1962 an Boumediennes Seite in Algier eingezogen war. Oder 1965, als Boumedienne den ersten Präsidenten Algeriens, Ahmed Ben Bella, weggeputscht und sich selbst für dreizehn lange, islamisch-sozialistische Jahre zum Staatsoberhaupt gemacht hatte.
    Schließlich erkundigte Moussa sich, wann genau die ersten »algerischen« MRG -45-Gewehre Altniederndorf verlassen würden.
    »Am Samstag um zehn, soweit ich weiß«, sagte Wintrich. »Warum?«
    »Samedi prochain, dix heures«, sagte Wegner, rutschte unauffällig vor und zurück, die juckenden Schwellungen peinigten ihn.
    »Nous allons accompagner les camions«, erklärte Moussa.
    »Sie wollen mitfahren.«
    »Aber das ist … unüblich«, sagte Wintrich.
    »Bien sûr, c’est un honneur pour nous«, übersetzte Wegner.
    »Warum um alles in der Welt wollen sie mitfahren?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Soldaten und Gewehre, Sie wissen schon. Sie halten es vor Sehnsucht nicht mehr aus.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Er hat es angedeutet.«
    »Y a-t-il un problème?«, fragte Moussa.
    »Non, non, pas de problème.«
    »Des nouvelles découvertes de nos services de renseignement«, schnarrte Soudani.
    »Erkenntnisse der Geheimdienste«, sagte Wegner und erntete einen irritierten Blick Wintrichs.
    Moussa ergänzte, die algerischen Dienste hätten geraten, den Transport bis Hamburg unter Polizeischutz durchzuführen.
    »Hm. Ich … Polizei?« Wintrich verfiel in Schweigen.
    »Bien sûr«, sagte Wegner erneut, obwohl er keine Ahnung hatte, ob das so ohne Weiteres möglich war. Er versprach, die Dinge in die Wege zu leiten. Wenn Monsieur General und Monsieur Moussa am Samstagmorgen wiederkämen, werde alles zu ihrer Zufriedenheit vorbereitet sein. Sie müssten dann nur noch in einen Firmenwagen steigen und würden mit dem Konvoi zum Hamburger Hafen gebracht werden. Und bis Samstag stehe ihnen wie immer das Gästehaus der Firma im Schwarzwald zur Verfügung.
    »Merci«, sagte Moussa, »mais cette fois, le général souhaite aller à Berlin.«
    »Oh!«, sagte Wegner entsetzt. »Sie wollen nach Berlin.«
    »You get the company airplane«, sagte Wintrich. »And our Wegner here, who is the perfect guide.«
    Soudani nickte knapp. Schweigen legte sich über das Spanische Zimmer, als hinge jeder der Anwesenden eigenen Gedanken nach. Wegner hatte sich ins Unvermeidliche gefügt und stellte mechanisch ein Berlin-Programm zusammen: sein imposantes Büro, Brandenburger Tor,

Weitere Kostenlose Bücher